Im Rahmen der diesjährigen Community Summit in Hamburg hatte ich die Möglichkeit, einem Vortrag von Thomas H. Kaspar zu folgen – fachlich und vom Unterhaltungsfaktor her ein echtes Highlight! Thomas (aka Bibliothomas) ist als Chefredakteur Community mit seinem Team u.a. für die CHIP-Community verantwortlich und nach Stephan Mosel der zweite Kandidat für die neu ins Leben gerufene Rubrik „5 + 1 Frage an …“. Vielen Dank für deine Zeit Thomas!
Zusätzliche Fragen an den Interviewpartner können natürlich gerne wieder über die Kommentarfunktion gestellt werden.
5 + 1 Frage an Thomas H. Kaspar
Was machst du beruflich, was machst du privat?
Ich arbeite seit 2006 bei CHIP Online, wo ich als erster Chefredakteur Community eingestellt wurde, um gleichberechtigt zur Redaktion „Web 2.0“ aufzubauen. Dort sitze ich im Zimmer mit meinen beiden Teams: Einmal mit dem Community-Team, das die Welten bei CHIP Online betreut und zum anderen mit einem internationalen Team, das die Partnerschaften in zwölf Ländern der communitybasierten Plattformen chip.eu und chip.asia steuert und befeuert. Privat wird mein Leben durch meine Familie mit drei Jungs bestimmt, daneben suche ich meinen Ausgleich im Lesen und im Zen.
Wie bist du zum Thema Community Management gekommen und was war dein erster Berührungspunkt mit den vielgerühmten „Social Networks“?
Ich bin ja ein alter Sack im Web und war schon am Leben als es noch gar nicht möglich war, ein „digital native“ zu sein. Aber immerhin mit 15 Jahren habe ich 1983 zum ersten Mal den Akustikkoppler meines Commodore PET an den Telefonhörer angeschlossen und zum Leidwesen meiner Eltern Telefonnummern in Schweden angepinnt. In der Folge war ich viel unterwegs in der Mailboxszene und den Groups am Uni-Rechner. Prägend war für mich aber die Zeit als Mailbox-Admin von Greenpeace Anfang der 90er Jahre, als ich erlebt habe, wie man mit Hilfe digitaler Kommunikation reale Gemeinschaften managt. Aus dieser Zeit kommt nicht nur mein Alias Bibliothomas, sondern auch dieses Graswurzelfeeling, die hohen ethischen Standards und der unbedingte Glaube daran, dass Web-Communitys einen Nutzen in der Welt vor dem PC haben müssen. Zum Community Management im heutigen Sinn bin ich gekommen, weil ich parallel zu meiner journalistischen Arbeit immer Webplattformen wie eine Xbox-Community aufgebaut und betreut habe – alle waren communitybasiert. Das hat mir später geholfen, als ich Werte, Hobby und Beruf vereinigen konnte.
Was ist für dich persönlich Community Management?
Community Management ist für mich die Übersetzung von irgendwas für User – im besten Fall wird eine Gesamtstrategie übersetzt, im zweitbesten Fall baut ein Community-Naturtalent mit Usern etwas auf, was ihm wichtig ist. Im schlechtesten und leider nicht seltenen Fall – improvisiert ein überforderter Mensch mit Besuchern ohne richtige Bindekraft irgendwie irgendetwas, wobei der einzige Konnex der Unmut über die da oben, die Seitenbetreiber, die Redaktion oder sonst wen ist. Meine eigene Kernfrage ist: Welche Kultur und Struktur braucht meine Webseite, wenn sie nicht nur sendet, sondern auch essentiell auf die Zusammenarbeit mit den Usern setzt? Wie organisiere ich die gleichberechtigte Mitarbeit der User am gemeinsamen Ziel?
Was war dein größtes Highlight in Verbindung mit dem Thema Community Management?
Ich denke nicht so sehr in Peaks. Das „größte Highlight“ ist mir eine Nummer zu hoch. Weil steil rauf auch immer steil runter bedeutet. Meine größte Befriedigung beziehe ich aus zweierlei. Erstens: Ich stelle vorher immer strategische Hypothesen auf und lege Benchmarks fest, damit es nicht zu lulalu wird. Zu sehen, wie z.B. eine Theorie zu exponentiellen Stapeleffekten Realität wird, wie sich der Longtail zu IT-Produkten langsam aufbaut und die Visits unaufhaltsam nach oben gehen, ist schon ziemlich geil – vor allem, wenn man es vorher genau so aufgeschrieben hat. Daneben freue ich mich bis heute wie ein kleines Kind darüber, dass ich ein so persönliches Verhältnis zu meinen Mods und vielen bekannten Usern selbst habe. Welche Ehre, dass etwa nächstes Wochenende ziemlich viele zu mir nach Hause kommen und grillen, meinen Garten verwüsten und meine Whiskey-Vorräte leertrinken, bis sie umfallen und in den Betten meiner Kids schlafen. Wie gesagt, Communitys sollten einen Realitätsbezug haben, auch meine eigenen.
An welche Erfahrung denkst du dabei weniger gerne zurück?
Ehrlich gesagt ärgere ich mich rückwirkend nur über mein eigenes Unvermögen, meine Unreife. Gerade in der Anfangsphase hatte sich der Stress oft verdichtet, wenn ich Abend um Abend, Wochenende um Wochenende unterwegs war und parallel den normalen Betrieb in einer Online-Firma hatte. Mein Glück war, dass bei CHIP alle ein gutes Gespür dafür hatten. Die Kollegen und Chefs sahen mir einerseits meine persönliche Unausgeglichenheit nach nächtelangen Krisenphasen in der Community nach und halfen mir andererseits, diesen sozialen Beruf zu professionalisieren. Wir haben zwar noch keine externe Supervision, aber immerhin schon interne Ausgleichsmeetings, geregelte bezahlte Wochenenddienste, und jeder muss in kürzester Zeit Freizeit ausgleichen. Jetzt klingt es paradiesisch, aber auf dem Weg dorthin habe ich persönlich einen hohen Preis bezahlt.
Zusatzfrage: Welche Frage wolltest du schon immer mal in einem Interview beantworten, die dir aber noch nie gestellt worden ist?
Irgendwas, wo ich in der Antwort meine sensationelle Frau loben kann, mit der ich seit 23 Jahren seelenverwandt zusammenlebe und die das Fundament für all diese intensive Menschenarbeit ist. Aber so eine Frage wäre mir dann auch wieder peinlich.