Im Rahmen der BVCM-Mitgliederversammlung hatte ich endlich mal wieder die Gelegenheit, einige (bisher) virtuelle Kontakte persönlich zu treffen. Darunter war auch Andreas Jürgensen, Betreiber des Leica User Forums und Berater zum Thema Community Management. Den interessanten Austausch im Rahmen der Versammlung wollte ich gerne hier im Community Management Blog fortführen und freue mich daher, dass Andreas sich für ein Interview im Rahmen der Reihe „5 + 1 Frage an…“ zur Verfügung gestellt hat. Vielen Dank für deine Zeit Andreas!
Zusätzliche Fragen an den Interviewpartner können natürlich gerne wieder über die Kommentarfunktion gestellt werden.
Stell dich bitte kurz vor: Was machst du beruflich, was machst du privat?
Ich bin zu ungefähr gleichen Teilen Community Consultant und Community Betreiber. Als Consultant berate ich Unternehmen, wie sie Communities aufbauen, betreiben und in eine Social Media Strategie einbinden.
In meiner anderen Rolle betreibe ich zwei Fotografie Foren: Das internationale Leica Forum besteht seit knapp 10 Jahren und hat ca. 50.000 Mitglieder, das Forum FourThirds hat „nur“ 3.500 Mitglieder, wächst aber seit der Gründung vor einem Jahr in einem Affentempo.
Privater Ausgleich sind Laufen (scheint in typischer CM Sport zu sein…) und meine Familie (Frau und zwei Kinder). Erziehung im Kindergartenalter hat übrigens oft erstaunliche Parallelen zum Community Management…
Wie bist du zum Thema Community Management gekommen und was war dein erster Berührungspunkt mit den vielgerühmten „Social Networks“?
Auf Wunsch unseres Auftraggebers habe ich im Jahr 2000 in den Webauftritt der Leica Camera AG ein Forum integriert – ohne zu ahnen, welche Konsequenzen das haben würde. Die ersten ein, zwei Jahre habe ich es nur technisch betreut, in die Moderation bin ich mit den Anforderungen reingewachsen.
Wegen eines Strategiewechsels bei Leica wurde ich 2006 gefragt, ob ich das Forum in Eigenregie übernehmen will. Nach kurzer Überlegung habe ich zugesagt – bis jetzt habe ich es nicht bereut.
Mein erstes Social Network Profil habe ich vor fünf Jahren in OpenBC angelegt (jetzt XING), wo ich mittlerweile auch zwei Gruppen moderiere.
Was ist für dich persönlich Community Management?
Community Management ist für mich, einen Ort zu schaffen, zu dem Menschen gerne kommen, an dem sie sich aktiv austauschen und mit dem sie sich identifizieren.
Die tägliche Arbeit ist erstmal Mikromanagement (technische Administration, aktive Moderation, Support) und viel persönliche Kommunikation mit den Mitgliedern und den Moderatoren.
Spannend ist die strategische Weiterentwicklung einer Plattform – welche Services, Kommunikationskanäle oder Strukturen können wir einrichten und verbessern, um den Austausch und die Identifikation mit der Plattform zu verbessern?
Nicht Community Management im engeren Sinne, aber leider lebensnotwendig und fester Bestandteil der Arbeit ist das Thema „Refinanzierung“: Sponsorenakquise, Affiliate Programme, Mitgliederprogramme, kostenpflichtíge Services etc.
Was war dein größtes Highlight in Verbindung mit dem Thema Community Management?
Internationale Usertreffen sind Highlights – sie machen zwar Arbeit in der Vorbereitung, während der Treffen werde ich aber regelmäßig sentimental, wenn ich mit Freunden u.a. aus England, Niederlanden, Italien, Norwegen und Australien zusammensitze. Ich empfinde es als großes Glück, mit dem Leica Forum eine so große und weltumspannende Gemeinschaft zusammengebracht zu haben. Über die Jahre sind so weltweite Freundschaften zwischen Menschen entstanden, die sich sonst nie kennengelernt hätten.
An welche Erfahrung denkst du dabei weniger gerne zurück?
Es ist immer schlimm, Leute aus der Community ausschließen zu müssen, besonders wenn man die Betroffenen persönlich kennt. Oft sind das nette und interessante Menschen, die aber immer wieder zu Zynikern und Trollen mutieren, sobald sie an der Tastatur sitzen.
Richtig Muffensausen hatte ich, als ich einen US-amerikanischen Anwalt sperrte, der in meinem Forum Unterstützer für eine Massenklage gegen einen unserer Sponsoren gesucht hatte.
Zusatzfrage: Welche Frage wolltest du schon immer mal in einem Interview beantworten, die dir aber noch nie gestellt worden ist?
Die Frage: „Worauf kommt es beim Aufbau einer Community wirklich an?“
Meine Antwort: „Vergesst erstmal alle Tools, Domains, Suchmaschinenoptimierungen, Twitter, Facebook und riesige Strukturdiagramme. Sorgt vor allem dafür, dass die Leute gerne zu Euch kommen – weil sie andere Menschen finden, die für das gleiche Thema brennen.
Im Grunde sind wir alle noch Urmenschen, die einen Stamm suchen, zu dem wir gehören – wir brauchen die menschliche Nähe, das Lagerfeuer und ein knuspriges Stück Fleisch, an dem wir gemeinsam nagen können.“
Danke, dass ich das fragen und beantworten durfte!