Veränderungen in einer Community immer an die Mitglieder kommunizieren: ja, nein, vielleicht?

Änderungen in den Sozialen Netzwerken, sei es technischer oder inhaltlicher Art, sind an der Tagesordnung. Dem Community Manager obliegt die (meistens) freudige Aufgabe, diese Veränderungen an die Community zu kommunizieren.

Bis vor einiger Zeit war ich ein Verfechter des Ansatzes, möglichst jede Veränderung an die Community zu kommunizieren und nach Möglichkeit auch die Community vorab in die Entscheidungsfindung einzubinden. Irgendwie hat das für mich zum guten Ton gehört und war in meinen Augen auch ein Quasi-Standard für gutes Community Management.

Ist weniger mehr?
Die Vergangenheitsform ist natürlich nicht zufällig gewählt: Im Rahmen eines Communitystammtisches in 2010 habe ich mit einem anderen Community Manager über diese Thematik gesprochen und er meinte dazu nur: „Warum sollte ich jede Entscheidung seitens des Community Managements an die Mitglieder kommunizieren und ggf. vorher sogar noch mit der Community abstimmen? Das ist viel zu aufwändig und führt letztlich dazu, dass es ohnehin selten einen Konsens unter den Mitgliedern gibt“. Im Rahmen des weiteren Gespräches musste ich an einigen Stellen tatsächlich nicken.

Dass relevante Änderungen (die beispielsweise zentrale Funktionen oder Rechteeinstellungen betreffen) kommuniziert werden müssen, steht sicherlich außer Frage. Aber wo liegt die Grenze? In wie weit können und sollen die Mitglieder mitentscheiden können, ob eine Änderung sinnvoll ist oder welche neuen Funktionen jetzt konkret die Community auf ein neues Level heben können?

Praxistest
Vor einigen Tage habe ich die Frage am lebenden Objekt getestet: In einer von mir betreuten Community (ca. 15.000 Mitglieder) gab es ein für die damalige Einführung umfangreich promotetes Feature, was letztendlich aber nur schleppend angenommen worden ist. Da der Supportaufwand dahinter relativ groß war, haben wir das Feature kurzerhand abgeschaltet. Ohne Rücksprache mit der Community und ohne offensive Info an die Mitglieder. Konkrete Rückfragen diesbzgl. wurden natürlich offen beantwortet. Ergebnis: Zwei Rückfragen, etwas Verwirrung unter der Moderatoren über die geänderte Vorgehensweise (bisher wurden alle Änderungen umfassend kommuniziert) und ansonsten: Nichts. Eigentlich spannend, da es im Vorfeld und bei der Einführung der Funktionalität ausschweifenden Diskussionen gab.

Fragen, die ich mir in dem Zusammenhang stelle:

  • Wie hätten die Reaktionen wohl ausgesehen, wenn die Abschaltung offensiv kommuniziert worden wäre? Oder die Mitglieder darüber hätten wie gewohnt mitentscheiden dürfen?
  • Wie groß ist die Anzahl derjenigen, die das Feature vermissen, aber nichts sagen?
  • Wie viele Leute denken schlicht und ergreifend, dass hier irgendetwas an der Community-Software kaputt gegangen ist? 😉
  • Spielt die Größe der Community eine Rolle? Sieht die Welt bei größeren Projekten mit 6- oder 7-stelligen Mitgliederzahlen vielleicht anders aus?
  • Und vor allem: War das die richtige Vorgehensweise und wie sollte es in Zukunft bei vergleichbaren Veränderungen aussehen?

Fragen über Fragen. Ich freue mich auf eure Antworten, Einschätzungen und vor allem Erfahrungswerte aus eurem Community Management-Alltag.

10 Gedanken zu „Veränderungen in einer Community immer an die Mitglieder kommunizieren: ja, nein, vielleicht?“

  1. Bis auf wenige Ausnahmen würde ich schon Veränderungen nach außen kommunizieren. Wenn man seine Beweggründe der Community nachvollziehbar & transparent erklären kann, wird es auch keinen Ärger geben.

    Bei deinem Beispiel oben ist wahrscheinlich nichts passiert, da die Funktion anscheinend sowieso nicht ganz beliebt war.

    Ich bin auch nicht der Freund davon jede Entscheidung mit der Community zu diskutieren, aber man sollte halt Entscheidungen offen der Community darlegen.

  2. Hallo,
    wir praktizieren es so, dass wir Veränderungen bis auf wenige Ausnahmen kommunizieren. Mitunter beziehen wir die Mitglieder (über 70000) in die Vorbereitung mit ein und bilden uns dann eine Entscheidung heraus. Dabei gibt es zwei Bereiche, die wichtig sind. Einen Forenbereich, den nur die Moderatoren einsehen und nutzen können, wo wir „Interna“ besprechen und einen Forenbereich, den nur angemeldete Mitglieder sehen und nutzen können, der auch „Anregungen und Diskussionen zum Bord“ heißt. Da man nicht jeden Wunsch erfüllen kann und will und es nicht bei allen Entscheidungsebenen möglich und nötig ist (zum Bspw. was den finanziellen Aufwand anbelangt etc.) diese auch zu thematisieren, wird dann der Schlusspunkt gesetzt, an dem wir die Veränderung nicht mehr diskutieren, sondern umsetzen.
    Aber es ist uns wichtig, die Mitglieder einzubeziehen und anzunehmen mit ihren Vorstellungen. Es ist aufwändig und zeitintensiv. Aber es ist eine Community und die kann daran nur wachsen. manchmal mit Mitgliedern „auseinander“, öfter aber zusammen. Der große „Gewinn“ dabei ist, zu reflektieren wie die Wahrnehmung der Communitymitglieder der Community gegenüber ist. Migliederzahlen „sammeln“ ist das Eine, eine Gemeinschaft lebendig und aufmerksam füreinander zu entwickeln das Andere. Letztes setzt Kommunikation voraus. Auch die der Betreiber und Community Manager mit den Nutzern. Sag ich mal so :).

  3. Elementare Änderungen, beispielsweise das Entfernen beliebter Spiele/Tools, häufig frequentierter Seiten etc. sollten vorher auf jeden Fall kommuniziert werden, um einer Supportticketflut vorzubeugen.

    Wenn es sich wie in deinem Fall um ein Feature handelt, was kaum genutzt wurde, wäre eine Kommunikation m.E. nach nicht zwingend notwendig. Einen einzigen Kritikpunkt an der Vorgehensweise in deinem Fall hätte ich dann aber doch: Die Moderatoren hätten mMn zwingend informiert werden sollen, denn sie sind ja für viele Communitymitglieder die ersten Kontaktpunkte. Sie sind die Community-Frontschweine und sollten daher immer die wichtigsten und aktuellsten Informationen vorliegen haben – denn nichts ist peinlicher für sie, wenn markante Einschnitte am Communityleben vorgenommen wurden, sie aber nicht darüber informiert wurden und demzufolge blöd vor der Community stehen, die sie ja „moderieren“ sollen.

    1. Einen einzigen Kritikpunkt an der Vorgehensweise in deinem Fall hätte ich dann aber doch: Die Moderatoren hätten mMn zwingend informiert werden sollen, denn sie sind ja für viele Communitymitglieder die ersten Kontaktpunkte.

      @Udo: Da bin ich vollkommen bei dir. Die Moderatoren haben die Info natürlich bekommen, konnten allerdings nicht direkt nachvollziehen, warum es nicht proaktiv an alle Mitglieder kommuniziert worden ist.

  4. Ich würde (inzwischen) wirklich JEDES feature oder auch „nur“ Änderung vorab publizieren und versuchen „Opinion-Leader“ einzubinden (geschlossener Beta-test auf Developer-Server).
    Kleine Beispiel: wir haben vor kurzem Social Bookmark Icons eingeführt weils irgendwie ja usus ist und die „öffentlichen“ Seiten ohnehin verlinkbar sind. Die Reaktion war, dass die user das Gefühl hatten sie sind erst durch die Icons verlinkbar geworden und deswegen im Google Inex mit ihren öffentlichen Inhalten usw.

    Es war also toll auf dem Wege per „Schlag ins gesicht“ eine Datenbewusstsein bei vielen Usern zu wecken, es war aber auch eine RIESIGE Diskussion und Rücknahme der Icons in (auch öffentlichen) Profil Inhalten dann nötig!

    Unsere Konsequenzen:
    – Developer Maschine extern zugreifbar machen
    – die 1% aktiver und interesiserter User / Opinion Leader einbinden
    – Separates Developer Forum auf der Dev. Maschine auf machen als Kommunikationsschnittstelle weil in der öffentlichen Community würde das nur Platz rauben und unnötige Fragen usw. von Nicht Beta testern aufwerfen!

    Geforderte Zugeständnisse:
    – User die am Developing aktiv teilnehmen müssen für neue Features mit einstehen wenn es zum Release kommt und eine Mehrheit der Dev’s und Beta-Tester dem zustimmt (wir selber (Seitenbetreiber) haben nur 1/4 der Stimmen!
    – Feedback, Kritik und alternative Lösungsvorschläge müssen sachlich und rational erfolgen, keine Ideologie-Kämpfe mit Polemik,sondern Dialoge mit offenem Ende!

    Letzteres gilt natürlich auch für uns, eine „harte Nuss“ aber so wie es aussieht ein Schritt in die richtige Richtung … zumal in nächster Zeit (Anfang nächsten Jahres) MASSIG Änderungen auf uns zu kommen weil wir eine selbst geschriebene Software auf BuddyPress portieren. Es werden zwar massig Plugins geschrieben um alle Funktionalitäten zu erhalten aber die zuletzt 2005 aktualisierte Software soll schon Web2.0’iger werden! Es wird also ein heisser Jahresanfang!

  5. p.s. Die Community ist mit 180.000 Mitgliedern und ~2.500 pro Tag eingeloggten (~40.000 monatlich aktiven) nen bissl größer … trotzdem ist der „Kern der Interessierten und Engagierten User“ nur schwach von 10-15 (vor 6-7 Jahren) auf max. 30 Personen (heute) gewachen! Ich denke es liegt auch daran das „Platzhirsche“ sich gegenseitig verdrängen und es auch unter diesen Usern einen „Generationenwechsel“ gibt!?
    Eine direkte Kommunikation zum „harten / wichtigen“ Kern ist (oder war) also immer möglich (wurde nur bisher – zugegeben – zu wenig benutzt). Dieser Kern (manchmal auch nur 2-3 Leute) macht im Grunde die „Stimmung“ und braucht eine besondere „Pflege“!

  6. Interessant, dass nicht nur wir diese Erfahrung gemacht haben.

    Wir haben sehr intensiv per offizieller Ankündigung an alle Mitglieder kommuniziert und hatten nach einigen Monaten den Effekt, dass es zu ALLEM großen Aufstand gab. Auch zu Themen, die wir nach den Wünschen unseres Uservoice-Forums umgesetzt haben. Gemeckert wurde sogar über Features, die man nicht mal bemerkt hat, wenn man sie nicht nutzen wollte. Die geringste Flexibilität zeigten übrigens die Mitglieder U17.

    Jetzt werden nur noch größere, offensichtliche Änderungen an ALLE Mitglieder kommuniziert. Alles andere, auch die Beta-Test-Phasen, kommuniziere ich über unser Profil, mit sehr viel besserer Resonanz.

    Natürlich wird unser großes Volunteerteam weiterhin umfassend auf dem Laufenden gehalten. Damit belaste ich zwar das Team etwas stärker aber auch von dort kommt das Feedback, dass der Mehraufwand, etwas Neues erklären zu müssen, viel geringer sei als die Besänftigung der „Wir meckern über alles Fraktion“. Der Faktor „Meine Freunde haben da was, was ich nicht habe. Warum ist das so, will auch“ ist nicht zu unterschätzen.

    Weniger kann also durchaus mehr sein.

  7. Interessant, dass nicht nur wir diese Erfahrung gemacht haben. Wir haben sehr intensiv per offizieller Ankündigung an alle Mitglieder kommuniziert und hatten nach einigen Monaten den Effekt, dass es zu ALLEM großen Aufstand gab. Auch zu Themen, die wir nach den Wünschen unseres Uservoice-Forums umgesetzt haben. Gemeckert wurde sogar über Features, die man nicht mal bemerkt hat, wenn man sie nicht nutzen wollte. Die geringste Flexibilität zeigten übrigens die Mitglieder U17. Jetzt werden nur noch größere, offensichtliche Änderungen an ALLE Mitglieder kommuniziert. Alles andere, auch die Beta-Test-Phasen, kommuniziere ich über unser Profil, mit sehr viel besserer Resonanz. Natürlich wird unser großes Volunteerteam weiterhin umfassend auf dem Laufenden gehalten. Damit belaste ich zwar das Team etwas stärker aber auch von dort kommt das Feedback, dass der Mehraufwand, etwas Neues erklären zu müssen, viel geringer sei als die Besänftigung der „Wir meckern über alles Fraktion“. Der Faktor „Meine Freunde haben da was, was ich nicht habe. Warum ist das so, will auch“ ist nicht zu unterschätzen. Weniger kann also durchaus mehr sein.

  8. Also wir standen vor Kurzem auch vor dieser Herausforderung, da wir unser Forum von einer Eigenentwicklung auf die gängige Forensoftware umgestellt haben: Kommunizieren oder nicht? (Wir haben auch ca. 9 Visits um die 400 neue Beiträge)

    Wir haben es dann letzten Endes nicht im Vorfeld kommuniziert, weil die Umstellung ohnehin gesetzt war und Benutzer ja auch in keinster Weise Vorteile oder einen Mehrwert aus einer Kommunkation ziehen.

    Wir hatten uns sogar gegen einen Hinweis, dass das Forum kurzzeitig (waren dann 3 Stunden) offline sein wird im Vorfeld entschieden, weil die Vergangenheit gezeigt hat, dass das eine enorme Beschwerdewelle auslöst, die den eigentlichen Vorgang bremst!

    Reaktion:
    Über die „Nicht-Kommunikation“ der Veränderung hatte sich NIEMAND beschwert. Man beschwerte sich lediglich über die erfolgte Umstellung samt Funktionalitätenänderung, aber nicht die Kommunikation der gleichen! (auch zu recht, denn es gab noch einge Bugs zu beseitigen..)

    Doch auch diese Wogen haben sich nun geglättet!

    Mein Fazit:
    Eine riesen Diskussion über Features, die ohnehin so umgesetzt werden zu planen, schafft nur böses Blut und tausend Gründe, was dagegen spricht (vorher lief doch auch alles).

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