Leider gehören auch weniger angenehme Themen zu den Aufgaben des Community Managements. Weit oben auf der Liste steht mit Sicherheit das Thema Suizid (Selbstmord). Glücklicherweise sind diese Fälle (einschlägige Selbstmord-Foren ausgenommen) relativ selten, leider fehlen den Moderatoren und Community Managern dadurch aber oft auch entsprechende Erfahrungswerte. Wird dann doch eine Suidzid-Ankündigung publiziert, ist schnelles Handeln gefragt.
Tipps für den Umgang mit Suizid/Selbstmord-Ankündigungen
Ankündigung ernst nehmen
Jede Ankündigung sollte ernst genommen werden! Lieber zehnmal blinden Alarm schlagen, als einmal zu wenig. Es geht hier in erster Linie um den Menschen hinter dem Mitglied. Diesem muss geholfen werden. Tipps wie folgender aus einem Jura-Forum gehen in meinen Augen an der Realität vorbei, da es für Community Manager eben nicht nur um die Durchsetzung von Regeln geht, sondern vor allem auch um die Betreuung der Mitglieder:
Wenn Du ein solches Forum betreibst, wo Menschen mit seelischen oder Lebensproblemen zusammenkommen, ist es sinnvoller für alle, akute Suizidankündigungen per Nutzungsbedingungen zu untersagen und solche Posts bei Zuwiderhandlung unverzüglich zu löschen mit Hinweis auf Nutzungsbedingungen.
Kontakt zum Betroffenen aufnehmen
Das Community Management sollte auf jeden Fall versuchen, direkten Kontakt zu der betroffenen Person aufzunehmen, ggf. die Adresse zu ermitteln und den Betroffenen auf professionelle Hilfeeinrichtungen aufmerksam zu machen. Je nachdem wie eng der Kontakt zu dem Mitglied ist bzw. wie gut man die eigene Community kennt, sollte man nach Möglichkeit auch Freunde, Bekannte, Verwandte auf die Situation aufmerksam machen und um Hilfe bitten. Wichtig, um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es geht hier nicht darum, dass das Community Management seelsorgerisch tätig werden soll und versucht, das Problem auf eigene Faust zu lösen. Es sollte immer schnellstmöglich professionelle Hilfe hinzugezogen werden, beispielsweise ein Seelsorger und vor allem auch die Polzei (siehe dazu auch den separaten Punkt „Rechtliche Aspekte“). Es geht hier primär um das Signal: Es kümmert sich jemand darum. Ein Hinweis an den Betroffenen, dass man z.B. einen Seelsorger und die Polizei informiert hat, kann hier schon völlig ausreichend sein.
Über Löschung der Ankündigung entscheiden
Ob die Ankündigung umgehend gelöscht werden sollte, kann in meinen Augen pauschal nicht beantwortet werden. Folgende Aspekte sollten dabei berücksichtigt werden:
- Besteht die Möglichkeit, dass Freunde oder Verwandte durch das Posting auf den Hilferuf aufmerksam werden und so Hilfestellung geben können?
- Besteht die Gefahr, dass durch die Ankündigung andere Mitglieder gefährdet werden, beispielsweise bei einem Aufruf zum gemeinsamen Selbstmord?
- Wie reagieren die anderen Mitglieder? Es sind diverse Fälle bekannt geworden, in denen Mitglieder einen regelrechten Ansporn zur Durchführung des Selbstmords gegeben haben…
- Gibt es im Unternehmen ggf. Richtlinien, wie mit solchen Fällen umgegangen werden soll?
Je nachdem, welche Aspekte überwiegen und welche Regelungen ggf. durch das Community Management definiert wurden, sollte jeweils der konkrete Einzelfall entschieden werden. Allerdings unter Berücksichtigung, dass die Hilfe für den Betroffenen immer an erster Stelle stehen muss.
Rechtliche Aspekte
Allerdings berührt das Thema „Selbstmord“ noch andere Aspekte, unter anderem rechtlicher Natur. Parallel sollte man daher von Seiten des Community Managements immer auch die Polizei informieren. Zum einen ist diese für solche Fälle ausgebildet und kann die ggf. notwendigen weiteren Schritte (bspw. Zwangseinweisung) einleiten. Zum anderen läuft man so auch nicht Gefahr, sich unter Umständen der unterlassenen Hilfeleistung (§ 323 c StGB) strafbar zu machen. Die Rechtssprechung ist hier (leider) nicht eindeutig, so dass man im Zweifelsfall lieber auf Nummer sicher gehen sollte. Der Artikel Der Selbstmord und seine rechtliche Problematik gibt einen guten Überblick über die Thematik.
Fazit
Suizid-Ankündigungen sind für das Management einer Online-Community bzw. eines Sozialen Netzwerkes ein heikles Thema. Gehandelt werden sollte auf jeden Fall, auch wenn sich die Ankündigung auf den ersten Blick evtl. weniger dramatisch anhören mag. Der Kontakt der Moderatoren bzw. der Community Manager zum Betroffenen sollte schnellstmöglich erfolgen, schließlich wurde die Ankündigung nicht ohne Grund genau in der eigenen Community veröffentlicht. Parallel sollten aber immer auch professionelle Hilfereinrichtungen (Seelsorge, Polizei, ggf. Notarzt) eingeschaltet werden, da diese speziell für den Umgang mit selbstmordgefährdeten Personen geschult sind und letztendlich nur ein Profi entscheiden kann, wie ernst eine Selbstmord-Ankündigung ist und vor allem wie damit konkret umzugehen ist. Seelsorge ist nicht Aufgabe des Community Managers, wohl aber sich grundsätzlich um die Problematik zu kümmern.
Erfahrungswerte
Gibt es von eurer Seite aus Erfahrungswerte, wie mit Suizid-Ankündigungen in den von euch betreuten Online-Communits umgegangen wird? Was ist gut gelaufen, welche Fehler wurden unter Umständen gemacht? Feedback über die Kommentarfunktion oder auch Rückmeldungen via E-Mail sind wie immer herzlich willkommen!
Update 31.03.2010
Vielen Dank schon mal für das zahlreiche Feedback via Twitter, Skype und in den Kommentaren. Dabei wurde berechtigterweise auch kritisiert, dass man aus der ursprünglichen Fassung des Artikels herauslesen kann, dass das Community Management die „Erstversorgung“ in Bezug auf die Seelsorge leisten soll. Dies ist definitiv keine Aufgabe des Community Management und das Community Management könnte dies auch überhaupt nicht leisten, dafür gibt es schließlich Fachleute. Diese Hinweise habe ich im Artikel ergänzt und hoffe, dass meine eigentliche Intention etwas klar geworden ist.
Bei unserer Plattform (knapp 500.000 Nutzer) gibt es für den Fall einer Suizidankündigung einen Notfall-SMS-Knopf für die Administratoren, da nach unserer Erfahrung solche Ankündigungen meistens in den Nachtstunden abgesetzt werden. Die SMS landet beim Community-Management, das das weitere Vorgehen koordiniert.
Wir sind inzwischen dazu übergegangen direkt unsere Kontaktbeamten bei der Polizei zu informieren. Normalerweise wird dann von dort ein Streifenwagen losgeschickt um mal nachzufragen ob alles in Ordnung ist.
Ich finde es von Community-Managern vermessen die Rolle eines Sozialarbeiters oder Psychologen übernehmen zu wollen und direkten Kontakt aufzunehmen. Das übersteigt unsere Kompetenz.
Den Hinweis von dem Juristen finde ich absolut in Ordnung. Gerade weil (wie du selbst hinweist) die Rechtslage problematisch ist sollten sich Unternehmen auch nicht in eine problematische Position bringen lassen. Polizei informieren, Beitrag entfernen, fertig.
„Das Community Management sollte auf jeden Fall versuchen, direkten Kontakt zu der betroffenen Person aufzunehmen“ – und was sollen die CMs sagen? Sie sind (für gewöhnlich) weder ausgebildeten Psychologen noch sonst irgendwie qualifiziert mit so einer Situation umzugehen. Hier nicht ausgebildete CMs vorzuschicken finde ich absolut unverantwortlich.
Szenario: was denkst du, was passiert wenn ein CM Kontakt aufnimmt und sich der- / diejenige tatsächlich umbringt?
Zudem ist eine Selbstmordankündigung immer ein Ruf nach Aufmerksamkeit, der auf einer Community-Plattform zu gerne beantwortet wird. Sie lenkt von den eigentlichen Inhalten der Plattform ab, zieht die Aufmerksamkeit weg von valider Kommunikation und motiviert unter Umständen sogar Leute zum nachahmen. So etwas hat in einer Community (die sich nicht explizit mit diesem Thema auseinander setzt) nichts zu suchen.
Das Löschen der Ankündigung und die Info an die Polizei ist mit Sicherheit eine legitime Lösung, aber in meinen Augen nicht die Idealform von dem, was ich unter (gutem) Community Management verstehe.
Gegenfrage: Was würde passieren, wenn sich das Community Management nicht kümmert, keinen Kontakt aufnimmt und die betroffene Person Selbstmord begeht? Das würde ich weder dem CM zumuten wollen noch möchte ich die Schlagzeile in der Presse sehen.
Klare Zustimmung, dass CM keine ausgebildeten Psychologen sind. Es geht mir auch gar nicht darum, hier qualifizierte Beratung geben zu wollen, sondern primär um das Signal: es kümmert sich jemand darum!
Das kann der Hinweis auf Seelsorgerische Einrichtungen sein oder der Hinweis, dass man die Polizei informiert hat. Mehr muss es auch nicht sein, aber auch nicht unbedingt weniger in meinen Augen. Das kann schon ein Hinweis sein wie: „Du, wir haben die Seelsorge eingeschaltet, die wird sich mit dir in Verbindung setzen.“
Da sind wir uns einig. Aber du darfst nicht vergessen, dass es in einer Community nicht nur um die Themen geht, sondern primär um die Menschen und die Kommunikation. Und reden wir mal nicht von Kiddies in irgendwelchen Gamesforen, die sich evtl. einen Spaß daraus machen: Wenn ein langjähriger Mod in seinem Forum eine Selbstmord-Ankündigung liest, würde keiner auf die Idee kommen zu sagen: lass mal löschen und gut sein, das ist gegen die Regeln und stört die Diskussion. Sondern die Intention wäre immer: Wie können wir dem Mitglied in seiner Notsituation helfen?
Entscheidend ist, dass alle CM und auch die Mods auf Suizidankündigungen vorbereitet werden und sie eine Hilfestellung haben, wie in einem solchen Fall vorzugehen ist. Damit ist schon einmal die erste Schwelle des Helfens überbrückt, weil jeder weiss was zu tun ist.
Dazu gehört meiner Ansicht nach auch die Eskalation zu einem CM, der mit der Thematik vertraut ist und alle weiteren Schritte einleitet. Dazu zählt die Verständigung der Polizei, idealerweise hat man, wie Florian richtig schreibt, direkten Kontakt zur Polizei.
Mit dem Betroffenen muss man ebenfalls Kontakt aufnehmen. Nicht als „verhinderter Psychologe“, sondern als Mitmensch, der Anteil nimmt. Es ist in dem Moment nicht die Frage ob da jemand Aufmerksamkeit sucht und schon gar nicht Thema des CM die Ernsthaftigkeit zu hinterfragen. Wie der Kontakt aussieht muss der Einzelfall zeigen.
In dem Zusammenhang kann ich nur dazu raten, dass man sich im Vorfeld Coaches sucht, die einem dabei helfen Handlungsstrukturen zu entwickeln und möglichst im Falle eines Falles auch für die Nachbereitung zur Verfügung stehen. Je nach Struktur der Community können das z.B. Psychologen, Psyschiater sein, die man für Workshops bucht. Bei Communities, die sich eher als Hobbyprojekt sehen, kann man auch informell Workshops organisieren. Gute Erfahrungen habe ich da mit Polizeipräsidien und lokalen Seelsorgern gemacht, entweder stellen sie selbst Referenten oder vermitteln zu Organisationen, die das übernehmen.
Wichtig ist es das Thema nicht als Aufmerksamkeitsphänomen zu betrachten.
Hallo Daniel,
schön, dass Du das Thema aufgegriffen hast. Ich bin auch schon einmal damit konfrontiert worden und Du hast recht, es ist wichtig, sofort zu reagieren. Meist ist es aber wirklich nur ein Ruf nach Aufmerksamkeit. Meine Erfahrung: Sobald die Betroffenen merken, dass man ihre (meist versteckte)Ankündigung ernst nimmt, revidieren Sie das vorher gesagte. Auch das sollte man so stehen lassen und auf keinen Fall verärgert reagieren. Das „Missverständnis“ lieber auf die eigenen Kappe nehmen, auch wenn es ungerecht erscheint.
Wenn man überhaupt nicht weiss, wie man den Nutzer einschätzen soll, hilft auch der Sozialpsychatrische Dienst.
Wie hier auch schon oft gesagt wurde; lieber einmal zu oft als einmal zu wenig. Auch wenn es heute scheinbar zum Trend geworden ist, sein angeblich aussichtloses Leben zu beklagen und öffentlich Selbstmordgedanken zu diskutieren, nur um Aufmerksamkeit zu erregen, es gibt eben auch Fälle, in denen sich Betroffene wirklich nicht anders zu helfen wissen und denen mit der richtigen Reaktion geholfen werden kann. Natürlich soll sich niemand als Seelsorger aufspielen, aber es kann auch nicht die einzige Reaktion sein, den Beitrag zu löschen, weil er laut AGB verboten ist.
Hallo, ich bin durch die Thematik meines Borderline Forums täglich mit der Suizidthematik in Kontakt. Unser Forum gibt es jetzt 3 Jahre, ist in dem Falle keine Community, aber wir haben schon sehr viel Erfahrung mit dem Thema Suizidankündigungen / Suizid gemacht. Wir haben bereits 3 User durch Suizid verloren und in den 3 Jahren haben wir bestimmt 50 mal die Polizei verständigt. Allein die letzten 4 Wochen haben wir 2 Menschen das Leben gerettet. Die User sind im nachhinein sehr dankbar! Für uns ist die ganze Thematik sehr schwierig, da wir selbst Betroffene sind. Wir nehmen jede Ankündigung ernst, mittlerweile sind wir so erfahren auf dem Gebiet, dass wir schnell erkennen können, wie ernst es wirklich ist. Wir handeln dann umgehend und der Kontakt mit der Polizei gestaltet sich manchmal sehr problematisch, da kommen dann Fragen wie, kann man das glauben? Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln, wir rufen da nicht zum Spaß an, manche Polizisten sind auch total unerfahren auf dem Gebiet, eine spezielle Schulung täte denen auch mal gut! Naja wir sind jetzt auf der Suche nach Seelsorgern, Beratern für unser Team, damit wir auch die Möglichkeit haben, einmal darüber zu sprechen! Und das Vorurteil, das die Leute nur Aufmerksamkeit haben wollen, die einen Suizid ankündigen, ist total überholt, denn dem ist nicht so! Bissl informieren wäre da auch nicht schlecht! 😉
Gibt es Suizid, der nicht angekündigt wurde?
Alles war wie immer, neue Zigaretten gekauft, Zeitung, Bäcker,seiner Frau gesagt, was sie für das Mittagessen einkaufen soll,.. eine halbe Stunde später vom Zug überrollt.
Kann es so etwas geben?