Resumee und Blitzlichter Community & Marketing 2.0 Summit 2010

Wie angekündigt noch ein kurzes Resumee zum Community & Marketing 2.0 Summit 2010 (29. + 30.09.2010 in Hamburg). Insgesamt wieder eine runde Veranstaltung und im Vergleich zum letzten Jahr von den Referenten noch einmal besser besetzt.

Leider sind aber auch in diesem Jahr wieder die Vorträge an vielen Stellen nicht wirklich in die Tiefe gegangen. Etwas schade, die Qualität der Referenten hätte an dieser Stelle sicher noch einiges mehr hergegeben. Geschuldet ist dieser Umstand, wie leider bei (fast) allen größeren Veranstaltungen, primär der heterogenen Zielgruppe. Abhilfe schaffen hier eigentlich nur die persönlichen Gespräche zwischen den Panels und im Anschluss an den offiziellen Teil. Vielen Dank an dieser Stelle auch wieder an den Bundesverband Community Management für die Organisation des „Community Manager Get Together“ im Anschluss an den ersten Tag des Community Summits.

Einige Blitzlichter aus den Vorträgen / Panels:

1. Tag

Das Social Web und die Markenkommunikation
Antony Mayfield, Senior Vice President Social Media iCrossing:

  • „Don’t waste you efforts by not sharing.“
  • Das S.T.O.P Prinzip: Strategic Tactical Organisation Personal
  • „don’t build your campaign around the platform, concentrate on the creative proposition.“
  • Rule 1: Check your web shadow. Rule 2: Be the best / first source of information about yourself
  • „Our customers are there, so we have to be there. End of story!“

Fallbeispiele Social Media Marketing
Social Media Manager Jenny Eßberger & General Manager Olaf Dierich von den relexa Hotels:

  • Die Vertreter der relexa hotels sprachen sympathisch offen über ihre Fehler: Kein Budget, keine Guidelines und einfach mal angefangen.
  • Für die Hotelbranche sind Bewertungsportale wie tripadvisor wichtiger als Facebook. Der relexa-Hotelchef kommentiert persönlich.

Fallbeispiele Community-Design
Tom Kedor, Geschäftsführer Motor-Talk.de:

  • Motortalk.de hat 1,6 Millionen Mitglieder, 10.000 neue Beiträge pro Tag, bei nur 20 Moderatoren.
  • „Raum für Dialog anbieten. Hand reichen. Sprache der Community lernen. Gemeinsam aus Fehlern lernen und…“
  • „Die 3 Iren – Ausprobieren, reagieren, optimieren.“
  • Motor-Talk ist auch eine Dialogplattform für Marken. Führt „Paten“-System zur Unterstützung der Moderatoren ein

Fallbeispiele Community Erlösmodelle
Eva-Maria Goldmann, Senior Community Managerin Monster.de:

  • „Monster.de ist für das Jetzt, Evangelisch.de für die Ewigkeit!“
  • Es gibt Fälle, da ist Anonymität in der Community wichtig, z.B. für die Jobsuche auf Monster.de

Erik Hauth, Geschäftsführer wer-weiss-was.de:

  • „Man muss sich vom Plattform-Gedanken emanzipieren!“

Fallbeispiele Community Erlösmodelle
Gunnar Siewert, Marketing und Business Development BookRix:

  • Der Markt reguliert: „Es liegt nicht an uns zu entscheiden, was ‚Müll‘ ist!“

Sven Bagemihl, Leiter Sales VZnet Netzwerke:

  • „Wir sind Branchen-Primus im Bezug auf Datensicherheit!“
  • Alternative Erlösmodelle außerhalb v Werbung und Co: Die VZ-Netzwerke verdienen Geld als Mobilfunk-Provider

Fallbeispiel Facebook Marketing
Björn Szostak, Redakteur ARD Onlinekoordination:

  • Die ARD betreut derzeit ca. 150 Facebook-Pages
  • Jeder Chat wird redaktionell betreut

Eric Hofmann, Director Marketing mirapodo:

  • Social Media in der DNA. Alle Abteilungen machen Social Media Monitoring, auch die Geschäftsführung.
  • Der Leitspruch von Mirapodo: „Wir irren uns voran!“
  • „Social Media ist primär ein Verstärker.“ Für Gutes, Schlechtes, Interessantes…
  • Den Kunden Mirapodiseren = anderes Wort für Missionieren („Kunden über Inhalte fischen“)
  • „Zukunft von Facebook liegt im OpenGraph – nicht in der Fanpage.“

Fallbeispiele Social Media Analyse

  • Zahlen aus den verschiedenen Analyse-Tools sind kaum vergleichbar, die Währung fehlt.

2. Tag

Keynote: Erfolgsfaktoren der Community Moderation
Rebecca Newton, Chief Community & Safety Officer Mind Candy:

  • „Moderator to user ratio has changed from 1:100 to 1:1.500 since year 2000.“
  • Formula for calculating Moderation Costs: http://yfrog.com/jtli7sj
  • Additional an example for the „real“ moderation: http://yfrog.com/nbxerrj

Fallbeispiele Community Krise
Florian Stöhr, Community Manager stayblue.de:

  • Der Community Manager ist kein Psychologe. Polizei hilft im Zweifelsfall sofort/kompetent. Man kann sich dort vorbeugend einen Ansprechpartner suchen.
  • Community Management ist primär Handarbeit und wird das auch auf absehbare Zeit bleiben.

Stephan Mosel, Community Manager Qype:

  • „Jeder hat mal getrollt (vielleicht nur offline)“
  • „Ein Community Manager ist weder Erzieher noch Therapeut.“
  • Troll-Beobachtung als virtuelles Popcorn-Kino für die User? Community Management und Trolle
  • „Die Typisierung von trollenden Mitgliedern ist schwierig bis unmöglich.“

Fallbeispiele Community-Controlling
Jens Doka, CPO und CTO Lokalisten:

  • Einige Kennzahlen: CPL, Newbie Churn in 24h, Newbie-Viralität & Aktivität, Quality Score …
  • „2-3 Revenue Streams und ihre Effekte auf #Churn sind besser handlebar als 12.“
  • Der Vortrag von Jens Doka zeigt: Community Controlling ist wichtig, aber Community Controller sind keine Community Manager.
  • Community-Repositionierung erfordert Realismus über tatsächliche Demografie, Usecases & Team/User-Situation

Fallbeispiele Social Media Policy
Karen Meike Liller, Social Media Specialist STA Travel:

  • Social Media Guidelines sollen zuerst am eigenen Schreibtisch entstehen und nicht von Anderen abgeschrieben werden.

Open-Space-Workshops
Im Anschluss gab es noch verschiedene Open-Space-Workshops. Die Ergebnisse des Workshop „Konfliktmanagement und Moderation“ sind hier zu finden.

Weitere Stimmen und Meinungen

Ergebnisse Workshop „Konfliktmanagement in der Moderation“ – Community Summit 2010

Im Rahmen des gestern zu Ende gegangenen Community & Marketing 2.0 Summit 2010 gab es am zweiten Tag einen OpenSpace-Workshop zum Thema „Konfliktmanagement in der Moderation“. Vorgeschlagen hatte das Thema der Bundesverband Community Management (BVCM), die Ergebnisse sind aber natürlich das Produkt der insgesamt 14 teilnehmenden Community Managerinnen und Community Manager. Leider habe ich noch keine vollständige Teilnehmer-Liste vorliegen, wird aber nachgereicht wenn möglich.

Nachfolgend eine kurze Zusammenfassung unserer Ergebnisse.

Prevention / Vorstufe:

  • Jeder ist gefährdet – insbesondere neue Community Manager
  • Wie viel gibt man von sich als Community Manager preis? Nutzung von Fake-Profilen?
  • Schulung und gute Einarbeitung neuer Mitarbeiter,
  • Team Account versus Fake Profil oder „echter“ Mitarbeiter,
  • reagieren Mitglieder auf Teamprofile eher entfremdet / aggressiv?
  • Andere Mitglieder zur „deeskalierenden Verteidigung“ nutzen, wo das Mitglied Dinge sagen kann/darf, was Mitarbeiter nicht dürfen/können,
  • wer wann editiert sollte dokumentiert werden – das hilft!
  • User testen lassen, Feedback einarbeiten

Akuter Fall:

  • Schwierige Mitglieder / Trolle: Menschlich ansprechen, am besten mal offline kennen lernen oder zumindest telefonieren – funktioniert fast immer!
  • Negative Energien kanalisieren! (Aufgaben geben)
  • Gut dokumentieren, aber: niemals in die Defensive geraten, Transparenz über Vorgehensweise ist wichtig,  runter kommen, durchatmen, abgeben lernen!
  • Moderationstechnik wenn man als Community Manager nicht mehr antworten kann: „Auflaufen lassen“ (dem Mitglied den Spiegel vorhalten). Es lohnt sich oft, das Mitglied ins Leere laufen oder sich selbst unglaubwürdig machen lassen
  • Es gibt Situationen, da muss man sich entschuldigen bei der Community – aber: Immer mit Learning / Ausblick!
  • Rückendeckung vom CEO – aber: Texte unbedingt!!! mit Community Management abstimmen

Vielen Dank natürlich an alle Teilnehmer!

Eine etwas ausführlichere Version der Ergebnisse wird demnächst im BVCM-Blog und in der BVCM XING-Gruppe veröffentlicht.

Der rote Knopf – oder wie Community Manager mit kritischen Diskussionen umgehen sollten

Über kurz oder lang kommt es in jeder (aktiven) Community zu Reibereien oder Streitigkeiten, sei es unter den Mitgliedern oder zwischen Mitgliedern und Community Management. Umso wichtiger ist es, in diesen Situationen als Community Manager einen kühlen Kopf zu bewahren und sich besonnen zu verhalten.

Der rote Knopf
Was in der Theorie so leicht klingt, ist in der Praxis umso schwerer. Selbst erfahrene Community Manager oder Foren-Moderatoren verlieren ab und an die Nerven. Klar: Es menschelt und jeder Mensch hat seinen höchstpersönlichen Schwachpunkte. Ich bezeichne diese mal plakativ als „rote Knöpfe“, die einmal gedrückt schnell dazu führen, dass man trotz aller Besonnenheit rot sieht. Und diese Knöpfe werden vielfach von den Mitgliedern mit traumwandlerischer Sicherheit aufgespürt und gedrückt – bewusst oder unbewusst.

Anhand eines realen Praxisbeispiels möchte ich das Entstehen einer solchen kritischen Situation schildern und auch einige Tipps geben, wie man sich als Community Manager in solchen Situationen verhalten sollte. Der Community Manager der besagten Community mag mir verzeihen, dass ich einen Auszug seiner Reaktionen anonymisiert als Beispiel für diesen Artikel verwendet habe.

Die Chronologie der Situation

  • In einer Community wird seit einigen Wochen heftig diskutiert, u.a. steht dabei die Arbeit des Community Managements (maßgeblich in der Person von „Max“) im Mittelpunkt der Kritik.
  • Im Laufe der Diskussionen antwortet Community Manager Max auf einen Beitrag von Mitglied Benjamin und schreibt:
    „… Und Deine Anmerkungen sind alles andere als „bescheiden“. Erst recht nicht, wenn Du meine Aussagen als „Amoklauf“ bezeichnest.“
  • Das 1. Problem:
    In dem Beitrag von Benjamin taucht das Wort „Amoklauf“ überhaupt nicht auf. Erwartungsgemäßg stößt dies entsprechend auf Unverständnis bei Benjamin und vielen anderen Community-Mitgliedern…
  • Der Community Manager reagiert auf diese Beiträge und erklärt, dass das Mitglied Benjamin den Beitrag dann wohl nachträglich editiert haben muss. Dies sei nach Rücksprache mit der Technik möglich.
  • Das 2. Problem:
    Die Beiträge in dieser Community können tatsächlich nur so lange editiert werden, bis eine Antwort darauf geschrieben wurde.
  • Diese Funktionalität ist natürlich auch den Mitgliedern bekannt, die auch entsprechende Screenshots als Beweise in das Forum stellen. Verbunden mit Vorwürfen an den Community Manager Max, falsche Tatsachen zu behaupten.
  • In der weiteren Diskussion postet Benjamin folgenden Kommentar:
    „Bei dem Kommentar, von dem Max (der Community Manager, Anm. d. Red.)  behauptet, ich hätte ihn geändert, nachdem er darauf geantwortet hat, fehlt dieser Button „bearbeiten“. Dieser Kommentar konnte von mir nicht mehr verändert werden, nachdem Max darauf geantwortet hat und konnte, wenn überhaupt, nur durch den Moderator … geändert werden und der bin nicht ich sondern Max.“
  • Und die Reaktion von Community Manager Max:
    „Benjamin, Du bestreitest, dass Du Deinen Kommentar selbst geändert hast und unterstellst obendrein, ich hätte das stattdessen getan. Mit diesem gravierenden Vorwurf hast Du den Bogen eindeutig überspannt. In Absprache mit den Portalverantwortlichen werden wir von nun an auf Deine weitere Beteiligung in der Community verzichten.“

Kritische Situation
Es ist durchaus möglich, dass das Mitglied Benjamin den eigenen Beitrag geändert / entschärft hat, während der Community Manager Max seine Antwort verfasst hat. Auch kann man in der späteren Antwort von Mitglied Benjamin durchaus eine kleine (wenn auch versteckte) Provokation erkennen, die den wohl letztendlich den roten Knopf bei Community Manager Max aktiviert hat. Die daraus resultierende Sperrung des Mitglieds hat wie fast zu erwarten (und in meinen Augen berechtigterweise) heftige Reaktionen bei den anderen Community-Mitgliedern ausgelöst: Die nachfolgende Diskussion rund um das Handeln des Community Managements erstreckt sich inzwischen über weit mehr als 35 DIN A4-Seiten. Im Endeffekt ist aus einer eher harmlosen Diskussion, in der der Community Manager möglicherweise sogar berechtigt Kritik an einem Mitglied geübt hat, so eine kritische Situation für das Community Management entstanden.

Die zentrale Frage lautet:
Was hätte der Community Manager in dieser Situation besser machen können?

Auch wenn es sicher kein Patentrezept gibt, habe ich nachfolgend einige Vorschläge aufgeführt, wie man solche kritischen Situationen entschärfen oder idealerweise gar nicht erst entstehen lassen kann.

Eine kleine Liste von Vorschlägen (die wie immer gerne über die Kommentarfunktion ergänzt werden darf)

  • Sich regelmäßig und ggf. mit Feedback von einem nahestehenden Menschen bewusst machen, welche die eigenen „roten Knöpfe“ sind, die besser nicht durch die Community-Mitglieder gedrückt werden sollten. Wenn man sich der eigenen Schwachpunkte bewusst ist, behält man deutlich leichter den berühmten kühlen Kopf.
  • Eine Kopie von Postings mit Konfliktpotential anfertigen, beispielsweise durch eine Speicherung der Änderungshistorie von Beiträgen oder einen simplen Screenshot.
  • Den Ursprungs-Beitrag vor dem Absenden und damit verbunden auch den Inhalt der eigenen Antwort nochmals überprüfen. Vor allem wenn die Situation in der Community ohnehin schon angespannt und weitere Diskussionen faktisch vorprogrammiert sind.
  • Etwas Zeit ins Land gehen lassen. Die Abfolge der Beiträge in dem genannten Beispiel war extrem eng getaktet und teilweise hat der Community Manager auch noch am späten Abend geantwortet und Entscheidungen getroffen. Offensichtlich ohne kühlen Kopf  und wahrscheinlich am Ende eines stressigen Tages…
  • Die Diskussion aus der Öffentlichkeit in eine 1 zu 1 Situation überführen. Durch die öffentlich geführte Diskussion wollte jeder der Beteiligten sein Gesicht wahren.
  • Good Moderator, bad Moderator. Bekommt man gar keinen Zugang zu einem Mitglied, kann es sinnvoll sein, den Ansprechpartner nach dem altbekannten Prinzip „good cop, bad cop“-Prinzip zu wechseln.
  • Ganz wichtig: Im Zweifel für den Angeklagten handeln! Die letztendlich nach außen hin sichtbaren Fakten in unserem Beispiel sprachen klar für das später gesperrte Mitglied.

Forenmoderation – 10 Grundlagen-Tipps für den Start

Da ich in der kommenden Woche wieder für ein großes Telekommunikations-Unternehmen eine Grundlagen-Schulung für angehende Forenmoderatoren durchführen darf, konzipiere ich momentan ein entsprechendes Schulungskonzept. Eine Frage kommt zum Start in die Tätigkeit als Moderator / Community Manager immer wieder:

„Was sollte ich konkret in den ersten Tagen machen, um mich im Forum bzw. in der Community zurecht zu finden?“

Gerne möchte ich allen, die frisch in das Thema Forenmoderation (bzw. Community Management) einsteigen, ein paar Tipps für die ersten Tage mit auf den Weg geben. Auch wenn das Wort „Forum“ sehr häufig vorkommt, gelten diese Tipps gleichermaßen auch für andere Community-Formen. Insgesamt sind es 10 Tipps, die natürlich gerne über die Kommentarfunktion ergänzt werden dürfen.

10 Grundlagen-Tipps für den Start

  1. Mache dich sich mit der Technik vertraut
    Je besser du die (Foren-)Software kennst, desto mehr Zeit hast du später für inhaltliche Themen zur Verfügung.
  2. Studiere eingehend die Forenregeln
    Auf diesem Regelwerk basiert das Zusammenspiel von Mitgliedern und Moderatoren.
  3. Fülle dein Profil aus
    Je besser die Mitglieder dich kennen, desto eher kommunizieren sie bewusst mit dir als Mensch und nicht nur mit einem anonymen Community-Mitarbeiter. Aber: Private Informationen einschränken!
  4. Stelle dich den Mitgliedern vor
    Die Mitglieder begrüßen es, wenn sie dich als Moderator etwas besser kennenlernen und geben neuen Moderatoren auch gerne etwas „Welpenschutz“.
  5. Beobachte die Community
    Durch aktives Zuschauen lernst du schnell, wie deine Community „tickt“.
  6. Identifiziere die Schlüsselmitglieder
    In jeder Community / in jedem Forum gibt es eine bestimmte Zahl von „Schlüsselmitgliedern“. Welche Mitglieder werden besonders respektiert oder unterstützen die Moderatoren? Und die Schattenseite: Wer fällt negativ auf oder ist gegenüber dem Community Mangement besonders kritisch?
  7. Tausch dich mit Kollegen aus
    Welche Erfahrungen haben deine Kollegen / andere Moderatoren gemacht? Wo gibt es noch Unsicherheiten, auf was sollte man achten?
  8. Lerne von anderen Communitys / Foren
    Schau dir bewusst andere Foren an. Wie agieren die Moderatoren anderer Foren? Welche Erfahrungswerte haben beispielsweise andere Moderatoren mit Ihren Foren gemacht?
  9. Hab keine Angst!
    Das Forum und die Mitglieder „beißen“ nicht… Mit jeder gesammelten Erfahrung erweiterst du deine Moderationskompetenz.
  10. Hab Spaß!
    Forenmoderation ist kein rein technischer Prozess. Lass dich auf das Forenleben ein, das darf gerne auch mal Spaß machen! 😉

Kennzahl? Verhältnis Mitgliederzahl zu Anzahl notwendiger Community Manager

Kennzahlen sind mit fortschreitender Professionalisierung des Community Management ein sehr aktuelles Thema. Passend dazu hat mich heute eine E-Mail mit der folgenden Frage erreicht:

Die Frage ist, ob es eine Kennzahl gibt, die den Betreuungsaufwand einer Community in Relation zu deren Mitgliedern setzt. Die also z.B. angibt, dass ab einer Größe von 5.000 oder 10.000 Mitgliedern eine Anzahl X von Community Managern oder Stundenanzahl pro Woche nötig ist, um eine Community „im Griff“ zu haben.

Bevor ich die Frage für mich alleine im stillen Kämmerlein beantworte, möchte ich das Thema gerne zur Diskussion stellen. Vorab natürlich noch meine persönliche Einschätzung:

Kennzahl: Verhältnis Mitgliederzahl <> Community Manager
Ein belastbare Kennzahl, die den Betreuungsaufwand einer Online-Community in Relation zu deren Mitgliederzahl stellt, gibt es meines Erachtens nicht, u.a. weil:

  • Communitys im Regelfall nur sehr schwer miteinander zu vergleichen sind: eine Community zu kritischen Themen (Politik, Naturschutz) wird erfahrungsgemäß einen höheren Betreuungsaufwand generieren, als z.B. eine Community zum Thema Wohungseinrichtung
  • Aufgaben im Community Management teilweise automatisiert werden können: z.B. nutzt Facebook interne Schwellwerte, um verdächtige (Spam-)Accounts vorsorglich und automatisiert zu sperren
  • Die Mitgliederzahl sich nicht linear proportional zum Betreuungsaufwand verhält: große Communitys verfügen stellenweise über bessere Selbstreinigungskräfte als kleine Communitys
  • Der Aufwand für das Community Management stark von aktuellen Ereignissen abhängt: externe Einflüsse (z.B. negative Schlagzeilen für ein Unternehmen) oder interne Einflüsse (z.B. Trolle, technische Pannen bei der Mitgliederverwaltung) können den Betreuungsaufwand zumindest temporär überproportional ansteigen lassen
  • Community Manager nicht miteinander vergleichbar sind: wie in jedem anderen Job auch, gibt es unterschiedlich leistungsstarke Community Manager
  • Einflussfaktoren von Community zu Community unterschiedlich sind: steht ein großes Unternehmen hinter einer Community, können die Ansprüche in der Betreuungsintensität stark von z.B. einer „privat“ betriebenen Community abweichen
  • Mitgliederzahlen nichts über die Aktivität einer Community aussagen: es macht einen Unterschied, wie aktiv die Community ist und ob z.B.  jedes Mitglied im Schnitt 2 Beiträge oder nur 0,2 Beiträge pro Tag schreibt
  • Die Betreuungsintensität auch mit den angebotenen Features zusammenhängt: eine Community mit freien verfassten Beiträgen (z.B. ein Bilderforum) wird mehr manuellen Aufwand erfordern, als z.B. eine Community in der Bilder nur über eine Punktesystem bewertet werden können
  • An der Mitgliederzahl nichts über die Struktur einer Community abgelesen werden kann: soziodemographische Faktoren (Alter, Geschlecht, Herkunft) können ebenfalls einen Einfluss auf den Betreuungsaufwand und damit die Anzahl benötigter Community Manager haben

  • to be continued (gerne Ergänzungen über die Kommentarfunktion)

Keine Kennzahl, sondern Erfahrungswert
Kennt man das Umfeld und kann die oben genannten Einflussfaktoren weitestgehend abschätzen, würde ich zumindest eine ungefähre Einschätzung der benötigten Teamgröße für realistisch halten. Oder auch, wenn eine Community bereits besteht und man das weitere Wachstum der Mitgliederzahlen in Relation zum Ausbau des Community Management-Teams setzen möchte. Hier kann man in meinen Augen aber weniger von einer Kennzahl sprechen, sondern eher von einem Erfahrungswert.

So weit meine Einschätzung zum Thema, die gerne widerlegt oder um weitere Eckpunkte ergänzt werden kann.

Community Management und die Fußball-Weltmeisterschaft (oder andere Großereignisse)

Vor einigen Tagen habe ich mir – nach dem beeindruckenden Auftaktsieg der deutschen Nationalmannschaft gegen Australien – morgens auf dem Weg zur Arbeit die Frage gestellt, ob (inter)nationale Großereignisse und die damit verbundenen Gefühle (positive wie negative) Auswirkungen auf das Community Management bzw. die Arbeit der Community Manager haben. Zumindest die Stimmung in der Bahn war an besagtem Morgen irgendwie positiver, die Menschen hatten ein gemeinsames Thema und damit verbundene positive Gefühle.

Via Twitter & Facebook habe ich die Frage dann auch direkt weitergegeben:

„Frage nach dem gestrigen WM-Sieg: Hat die positive Nationalstimmung Auswirkungen auf die Arbeit der Community Manager?“

Und die Reaktionen darauf:

„…ja, man nutzt das Ereignis sofort zum internen Community Bulding und Austausch per Dribbling durch alle Büros;)“

„Ja, hat sie, hatte sie vor vier Jahren auch eine Zeit lang!“

„Ja, weil die Community Manager heute alle übernächtigt und verkatert sind ;-)“

Im Hinterkopf hatte ich zwar weniger das Community Management-Team, aber um so interessanter… 😉 Letztlich haben Großereignisse also anscheinend Einfluss auf die Community und deren Mitglieder. Und, wie den Reaktionen zu entnehmen ist, auch auf das Community-Team als solches. Diese Vermutung  bestätigt auch eine Studie der Wirtschaftswissenschaftler vom Institut zur Zukunft der Arbeit (IZA) der Universität Bonn, die vor vier Jahren im Rahmen der Fußball-Weltmeisterschaft durchgeführt worden ist. Quintessenz der Studie:

Die Auswertung hat ergeben, dass die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage nach den Erfolgen der Nationalmannschaft und der durch diese ausgelösten nationalen Begeisterung, signifikant besser war als 11 Tage vor Beginn der WM.

Daraus abgeleitet lautet mein Vorschlag:

Nationale bzw. internationale Großereignisse und die damit verbundenen Stimmungen sollten künftig bei der Planung von Aktivitäten im Community Management berücksichtigt werden.

Zwei Beispiele:

  • Kritische Veränderungen in einer Community, wie z.B. eine Überarbeitung des Regelwerks, sollten nach Möglichkeit in Zeiträumen nach positiven Ereignissen durchgeführt werden.
  • Im Umkehrschluss kann nach Großereignissen mit negativem Charakter eher mit Problemen gerechnet werden, sowohl durch die schlechtere Grundstimmung in der Community als auch ggf. in Verbindung mit einer schlechteren Stimmung im Team.

Erfahrungen aus der Praxis?
Wird dies in der Praxis bereits berücksichtigt? Ist eine Steuerung von Aktivitäten im Community Management anhand solcher Parameter überhaupt möglich?

Kommentare und Anmerkungen sind wie immer herzlich willkommen!

Das Ende der Fahrrad.de-Community und was man daraus für das Community Management lernen kann

Der Online-Shop Fahrrad.de ist ohne Zweifel ein Erfolg und auch die Geschichte liest sich so, wie man sich ein wirkliches Start-Up vorstellt. René Marius Köhler beginnt nach seiner Ausbildung damit, Fahrräder aus dem Laden seines Vaters via eBay zu verkaufen. Nach anfänglichen Startschwierigkeiten läuft das Geschäft immer besser, 2003 startet Köhler unter der Domain Fahrrad.de einen eigenen Online-Shop. Der Laden brummt und unter der Dachmarke Internetstores AG entstehen weitere erfolgreiche eCommerce-Ableger im Fitness-Bereich.

Fahrrad.de-Community
Auch den Community-Trend erkennt Fahrrad.de früh und launcht 2007 eine eigene Fahrrad-Community auf Fahrrad.de:

Die internetstores AG hat die fahrrad.de Community auf die Beine gestellt, weil wir denken, dass sie aus zweierlei Gründen wichtig sein könnte. Zum einen, weil es einfach an der Zeit für ein Forum ist, das alle Fahrrad-Fans anspricht. Ein allgemeines, offenes Forum ohne Abgrenzungen, um das Wesentliche in den Mittelpunkt zu rücken ? den Menschen und seine Begeisterung fürs Radfahren.

Wir wollen Sie als User sozusagen aktiv als Produktivressource nutzen ? daraus machen wir keinen Hehl. Aber nicht allein aus dem Grund, weil wir denken, dass sich dadurch mehr verkaufen lässt. Sondern weil wir unseren Kunden damit ein Höchstmaß an Informationsqualität bieten können, die eine verbesserte Kaufentscheidung für jeden einzelnen möglich macht.

Das Engagement wird auch in den Medien positiv aufgenommen. Eine offene Themen-Community unter dem Dach eines eCommerce-Unternehmens hat etwas schwerere Startbedingungen als ein Projekt mit einem neutralen Anstrich. Aber Fahrrad.de bleibt dran, integriert das Forum in die Kaufberatung und entwickelt die Community mit Blogs, Videos, GPS-Touren und einem Wiki konsequent weiter. Ergebnis: Einige tausend Mitglieder, zehntausende Forenbeiträge und über 1.000 Bilder. Ein achtbarer Erfolg nach 3 Jahren, hier würden viele andere Unternehmen sicher gerne tauschen wollen.

Ein überraschendes Ende – Abschaltung der Community
Vor gut 4 Wochen wird die Fahrrad.de-Community allerdings (einigermaßen überraschend) geschlossen. Eine kurze Begründung gibt es immerhin:

Hallo Community,

wie Ihr sicherlich mitbekommen habt, ist bei uns im Unternehmen gerade sehr viel los. Auf ein Projekt folgt das nächste, so dass ich mich nicht mehr so intensiv um Euch kümmern konnte. Ich will Euch natürlich auch die Gründe dafür offen und ehrlich auf den Tisch legen:

Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, dass wir die Community, so wie sie aktuell besteht, nicht mehr weiterführen können und daher eine Lösung brauchen. Auch wenn es eine bittere und unangenehme Lösung sein wird.
Es liegt uns fern, Euch zu verärgern oder zu verlieren, wir sehen jedoch aus Kapazitätsgründen und diversen Umstrukturierungen im Unternehmen keine vernünftige Möglichkeit mehr, die Community so „am Leben zu erhalten“, dass wir Euch alle zufrieden stellen könnten. Persönlich bedauere ich es sehr, dass wir hier nun leider, hart gesagt, „abschalten“ müssen. Aber jede andere Entscheidung wäre nicht mehr zu vertreten und würde keinen Erfolg bringen.

Im weiteren Text werden u.a. technische Gründe angeführt, da man bei Änderungen an der Forensoftware immer wieder auf Bugs gestoßen sei und man sich daher für eine Abschaltung entschieden habe.

So viel zur Geschichte der Fahrrad.de-Community. Das Echo in den anderen Fahrrad-Communitys ließ auch nicht lange auf sich warten. An Gerüchten und Kritik wurde nicht gespart, es ist von vorgeschobenen Gründen und finanziellen Problemen die Rede. Gut lesbar und auffindbar für Suchmaschinen.

Was kann man aus dieser Geschichte für das Thema Community Management lernen?
Der Schritt zur eigenen Community für Fahrrad.de war meines Erachtens goldrichtig. Das Thema Fahrrad wird rege diskutiert, man kann die Kaufberatung integrieren und erhält gleichzeitig wertvollen Content für die Suchmaschinen-Strategie. Aber: Eine Community ist kein Produkt, was man mal auf den Markt bringt und im Zweifelsfall einfach wieder einstellt. Hier ist ein richtig langer Atem gefragt, über Jahre oder auch Jahrzehnte hinweg. Und eine ebenso konsequente Strategie, wenn das Engagement eingestellt werden soll bzw. muss.

Ziel von Fahrrad.de war es, eine allgemeine Fahrrad-Community zu etablieren. Die Zielsetzung ist auch bei den Mitgliedern angekommen und wurde wohl auch von den Community-Verantwortlichen und Community Managern gelebt. Aber: Es werden natürlich auch andere Händler empfohlen, man verweist auf andere Fahrrad-Communitys und kritisiert natürlich auch einmal die Preisgestaltung von Fahrrad.de. Stichwort: Fahrrad-Apotheke. Diese Nähe muss man aushalten können und für die eigene Entwicklung nutzen. Eine Community kann ein geniales Marktforschungsinstrument sein, wenn man lernt zuzuhören und daraus zu lernen.

Um die Aktivität unter den Mitgliedern zu erhöhen, hat Fahrrad.de Beiträge mit den „Internetstars“ (Rabattmarken) vergütet, die im Fahrrad.de-Shop eingelöst werden konnten. Incentivierung in Form von Boni oder Rabatten kann ein probates Mittel sein, wenn es dosiert eingesetzt wird. Problematisch wird es immer dann, wenn darin ein Hauptanreiz für die Aktivität besteht oder die Qualität der Beiträge nicht konsequent integriert wird. Weiterhin kritisch, wenn die Aktion nicht klar zeitlich begrenzt ist. Ohne zeitliche Begrenzung kann man die Incentivierung nicht mehr abschalten, ohne den Unmut der Mitglieder hervorzurufen. Auch wenn es sich das Unternehmen vielleicht schlicht und ergreifend nicht mehr leisten kann.

Steht ein Unternehmen hinter der Community, beäugen die Mitglieder die Aktivitäten von Seiten des Community Management kritischer. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt, vor allem wenn sich zusätzlich Mitglieder ehrenamtlich als Moderatoren engagieren. Selbst diese Speerspitzen der Mitglieder über die Zukunft der Community im Dunkeln zu lassen, ist schlechtes Community Management. Transparenz ist unglaublich wichtig. Ein ambitioniertes Projekt wie die Fahrrad.de-Community durch ausbleibende Reaktionen von Seiten des Community Management bzw. der Administratoren langsam sterben zu lassen, ist nicht der richtige Weg. Und es ist auch ein Irrglaube, dass man ein Projekt dieser Größenordnung sich selbst überlassen und es einfach so weiterlaufen lassen kann. Im Gegenteil: Hier tickt unter Umständen eine Zeitbombe…

Dass ein erfolgreiches und preisgekröntes eCommerce Unternehmen mit 80 Mitarbeitern und 25 Millionen Euro Umsatz technische Probleme für die Abschaltung einer Foren-Software angibt, wirft im Zweifelsfall auch kein gutes Licht auf die involvierten Dienstleister und wird von Seiten der Community-Mitglieder als vorgeschoben kritisiert. Ob zu Recht, kann nur das Unternehmen selbst beantworten. Wenn von Kapazitäten die Rede ist, spricht man automatisch auch von Geld – schließlich kann man die Kapazitäten auch erweitern.

Grob geschätzt sollte sich ein Community-Projekt in dieser Größenordnung durchaus mit einem niedrig sechsstelligen Betrag pro Jahr (laut Geschäftsführer Köhler hat die Fahrrad.de-Community anscheinend fast unglaubliche 1,2 Millionen Euro pro Jahr gekostet – siehe Update unten) stemmen lassen, gemessen am Umsatz wären dies bei Fahrrad.de etwa 0,5%. Ob sich dieses Investment für ein Unternehmen lohnt, kann von außen nur schwer beurteilt werden, da viele Faktoren in die Bewertung einfließen. Oft wird aber der „Wert“ einer Community, die sich mit dem Produkt-Thema und unter Umständen sogar mit den konkreten Produkten des Unternehmens identifiziert, unterschätzt. Kurzfristige Umsatzziele stehen leider allzu oft konträr zu einer erfolgreichen Community-Strategie.

Fazit
Eine Community-Strategie sollte immer langfristig angelegt sein. Im Zweifelsfall schadet ein zu kurzfristiges Engagement mehr als gar kein Engagement. So positiv das Medien-Echo zum Start einer Community sein kann, so nachhaltig kann auch die Kritik und die Häme sein, wenn das Projekt kein „sauberes“ Ende findet.

Eine Community öffnet das Unternehmen gegenüber den Kunden. Dies bringt Nähe, diese Nähe gilt es aber auch auszuhalten. Mit allen Konsequenzen und von allen beteiligten Parteien, von der Unternehmensführung bis zum Community Management.

Die Kommunikation mit den Mitgliedern ist wichtig. In guten wie in schlechten Zeiten. Wenn es gut läuft, darf gerne darüber gesprochen werden, wenn es schlecht läuft, dürfen Rückfragen der interessierten Mitglieder nicht unbeantwortet bleiben. Hier muss es klare Anweisungen und Kompetenzen für die Community Manager geben.

Am Ende des Tages muss in einem Unternehmen die Kasse stimmen, keine Frage. Die Monetarisierung einer Community beinhaltet aber nicht nur direkte Einnahmen (Werbung, Produktverkauf) sondern auch indirekte Elemente wie Ersparnis bei Werbeausgaben, Marktforschung, Erhöhung der Brand-Awareness etc.

Entscheidet man sich als Unternehmen, das Produkt Community einzustellen, ist ebenfalls klare Kommunikation gefragt. Frühzeitig, offen und ehrlich. Die Mitglieder zeigen Verständnis gegenüber Offenheit, sparen aber auch nicht mit Gerüchten und Kritik, wenn sie keine oder nur unzureichende Informationen erhalten.

Update 04.06.2010:
In einem Interview mit der Internet World Business (Ausgabe 11/10, Seite 30, Link auf Artikel im Heftarchiv folgt) hat sich Rene Marius Köhler zur Schließung der Fahrrad.de-Community geäußert:

Die Schließung der Community basiere auf rein ökonomischen Überlegungen, Köhler spricht dabei von rund 100.000 Euro laufender Kosten pro Monat (!) für die Community. Eine Migration der Community auf die neue Shoppingplattform hätte eine Kostensteigerung von weiteren 20% verursacht. Auch äußert Köhler, dass die Community (gemessen am Aufwand) einfach kein Erfolg gewesen sei und räumt ein, dass eine Migrationsstrategie für die Community-Mitglieder (z.B. zu Facebook) gefehlt habe.

1,2 Millionen Euro pro Jahr für 15.000 Mitglieder (davon 100 aktiv) und 50 Beiträge am Tag? Der Inhaber der verantwortlichen Agentur wäre ich gerne…

Umgang mit Suizid/Selbstmord-Ankündigungen in Communitys

Leider gehören auch weniger angenehme Themen zu den Aufgaben des Community Managements. Weit oben auf der Liste steht mit Sicherheit das Thema Suizid (Selbstmord). Glücklicherweise sind diese Fälle (einschlägige Selbstmord-Foren ausgenommen) relativ selten, leider fehlen den Moderatoren und Community Managern dadurch aber oft auch entsprechende Erfahrungswerte. Wird dann doch eine Suidzid-Ankündigung publiziert, ist schnelles Handeln gefragt.

Tipps für den Umgang mit Suizid/Selbstmord-Ankündigungen

Ankündigung ernst nehmen
Jede Ankündigung sollte ernst genommen werden! Lieber zehnmal blinden Alarm schlagen, als einmal zu wenig. Es geht hier in erster Linie um den Menschen hinter dem Mitglied. Diesem muss geholfen werden. Tipps wie folgender aus einem Jura-Forum gehen in meinen Augen an der Realität vorbei, da es für Community Manager eben nicht nur um die Durchsetzung von Regeln geht, sondern vor allem auch um die Betreuung der Mitglieder:

Wenn Du ein solches Forum betreibst, wo Menschen mit seelischen oder Lebensproblemen zusammenkommen, ist es sinnvoller für alle, akute Suizidankündigungen per Nutzungsbedingungen zu untersagen und solche Posts bei Zuwiderhandlung unverzüglich zu löschen mit Hinweis auf Nutzungsbedingungen.

Kontakt zum Betroffenen aufnehmen
Das Community Management sollte auf jeden Fall versuchen, direkten Kontakt zu der betroffenen Person aufzunehmen, ggf. die Adresse zu ermitteln und den Betroffenen auf professionelle Hilfeeinrichtungen aufmerksam zu machen. Je nachdem wie eng der Kontakt zu dem Mitglied ist bzw. wie gut man die eigene Community kennt, sollte man nach Möglichkeit auch Freunde, Bekannte, Verwandte auf die Situation aufmerksam machen und um Hilfe bitten. Wichtig, um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es geht hier nicht darum, dass das Community Management seelsorgerisch tätig werden soll und versucht, das Problem auf eigene Faust zu lösen. Es sollte immer schnellstmöglich professionelle Hilfe hinzugezogen werden, beispielsweise ein Seelsorger und vor allem auch die Polzei (siehe dazu auch den separaten Punkt „Rechtliche Aspekte“). Es geht hier primär um das Signal: Es kümmert sich jemand darum. Ein Hinweis an den Betroffenen, dass man z.B. einen Seelsorger und die Polizei informiert hat, kann hier schon völlig ausreichend sein.

Über Löschung der Ankündigung entscheiden
Ob die Ankündigung umgehend gelöscht werden sollte, kann in meinen Augen pauschal nicht beantwortet werden. Folgende Aspekte sollten dabei berücksichtigt werden:

  • Besteht die Möglichkeit, dass Freunde oder Verwandte durch das Posting auf den Hilferuf aufmerksam werden und so Hilfestellung geben können?
  • Besteht die Gefahr, dass durch die Ankündigung andere Mitglieder gefährdet werden, beispielsweise bei einem Aufruf zum gemeinsamen Selbstmord?
  • Wie reagieren die anderen Mitglieder? Es sind diverse Fälle bekannt geworden, in denen Mitglieder einen regelrechten Ansporn zur Durchführung des Selbstmords gegeben haben…
  • Gibt es im Unternehmen ggf. Richtlinien, wie mit solchen Fällen umgegangen werden soll?

Je nachdem, welche Aspekte überwiegen und welche Regelungen ggf. durch das Community Management definiert wurden, sollte jeweils der konkrete Einzelfall entschieden werden. Allerdings unter Berücksichtigung, dass die Hilfe für den Betroffenen immer an erster Stelle stehen muss.

Rechtliche Aspekte
Allerdings berührt das Thema „Selbstmord“ noch andere Aspekte, unter anderem rechtlicher Natur. Parallel sollte man daher von Seiten des Community Managements immer auch die Polizei informieren. Zum einen ist diese für solche Fälle ausgebildet und kann die ggf. notwendigen weiteren Schritte (bspw. Zwangseinweisung) einleiten. Zum anderen läuft man so auch nicht Gefahr, sich unter Umständen der unterlassenen Hilfeleistung (§ 323 c StGB) strafbar zu machen. Die Rechtssprechung ist hier (leider) nicht eindeutig, so dass man im Zweifelsfall lieber auf Nummer sicher gehen sollte. Der Artikel Der Selbstmord und seine rechtliche Problematik gibt einen guten Überblick über die Thematik.

Fazit
Suizid-Ankündigungen sind für das Management einer Online-Community bzw. eines Sozialen Netzwerkes ein heikles Thema.  Gehandelt werden sollte auf jeden Fall, auch wenn sich die Ankündigung auf den ersten Blick evtl. weniger dramatisch anhören mag. Der Kontakt der Moderatoren bzw. der Community Manager zum Betroffenen sollte schnellstmöglich erfolgen, schließlich wurde die Ankündigung nicht ohne Grund genau in der eigenen Community veröffentlicht. Parallel sollten aber immer auch professionelle Hilfereinrichtungen (Seelsorge, Polizei, ggf. Notarzt) eingeschaltet werden, da diese speziell für den Umgang mit selbstmordgefährdeten Personen geschult sind und letztendlich nur ein Profi entscheiden kann, wie ernst eine Selbstmord-Ankündigung ist und vor allem wie damit konkret umzugehen ist. Seelsorge ist nicht Aufgabe des Community Managers, wohl aber sich grundsätzlich um die Problematik zu kümmern.

Erfahrungswerte
Gibt es von eurer Seite aus Erfahrungswerte, wie mit Suizid-Ankündigungen in den von euch betreuten Online-Communits umgegangen wird? Was ist gut gelaufen, welche Fehler wurden unter Umständen gemacht? Feedback über die Kommentarfunktion oder auch Rückmeldungen via E-Mail sind wie immer herzlich willkommen!

Update 31.03.2010
Vielen Dank schon mal für das zahlreiche Feedback via Twitter, Skype und in den Kommentaren. Dabei wurde berechtigterweise auch kritisiert, dass man aus der ursprünglichen Fassung des Artikels herauslesen kann, dass das Community Management die „Erstversorgung“ in Bezug auf die Seelsorge leisten soll. Dies ist definitiv keine Aufgabe des Community Management und das Community Management könnte dies auch überhaupt nicht leisten, dafür gibt es schließlich Fachleute. Diese Hinweise habe ich im Artikel ergänzt und hoffe, dass meine eigentliche Intention etwas klar geworden ist.

Deutschland – Land der Foren

Auf Twitter gab es diese Woche eine interessante Diskussion, wie es um die Foren bestellt ist. Dabei ging es unter anderem um die Aktivität in Foren im Vergleich zu Facebook.

Alex Troll via Twitter: Immer öfter lese ich „Foren sind nicht tot“. Stimmt, aber ich kenne kaum einen, der genauso aktiv in einem Forum ist, wie z.B. auf Facebook. … Foren werden bestehen, keine Frage. Nur die breite Masse wird sie weniger nutzen. D.h. aber auch, dass sich Expertengruppen bilden

Bekanntlich leben totgesagte länger und Deutschland kann ohne weiteres als Land der Foren bezeichnet werden. Mitte letzten Jahres habe ich für den Fachverband der Bordeaux-Weine Conseil Interprofessionnel du Vin de Bordeaux (CIVB) – eine Marktanalyse durchgeführt, auf welchen Social Media Kanälen im deutschsprachigen Raum zum Thema Wein diskutiert wird. Interessante Erkenntnis:

Deutsche bevorzugen Foren und vertikale Communitys
Deutschland unterscheidet sich in Bezug auf die Community-Nutzung von anderen europäischen Ländern: Während nach einer in 2008/2009 durch den CIVB zum Thema Wein in Frankreich durchgeführten Untersuchung große horizontale Communitys wie Facebook oder MySpace eine wichtige Rolle spielen, werden im deutschsprachigen Raum gerade für fachbezogene Diskussionen spezialisierte vertikale Themen-Communitys (Foren) als Diskussionsplattform bevorzugt. Trotz Facebook und Co. haben die Foren mit einem Anteil von 90% klar die Nase vorn. Auf den weiteren Plätzen folgen Blogs (5%), Twitter (3%) und Datenbanken (2%).

Ein Vergleich der Mitgliederzahlen der größten deutschsprachigen Wein-Community mit den jeweils größten deutschsprachigen XING -und Facebook-Gruppen zum Thema Wein verdeutlicht dies:

social_media_wine

  • größte Wein-Community: 200.000 Mitglieder
  • größte Wein XING-Gruppe: 14.300 Mitglieder
  • größte Wein Facebook-Gruppe: 365 Mitglieder

Die Zahlen sind Stand 05/2009. Inzwischen wird sich das Nutzungsverhältnis höchstwahrscheinlich zugunsten von Facebook, Twitter und Co. verschoben haben. Von einer Wachablösung sind wir im deutschsprachigen Raum aber noch weit entfernt und Foren bzw. vertikale Communitys werden nach meiner Einschätzung auch in den nächsten Jahren noch eine überaus wichtige Rolle spielen.

Auswirkungen auf die Social Media Strategie
Für die Themenfelder Community Management, Social Media Marketing und Social Media Monitoring bleibt diese Erkenntnis nicht ohne Folgen: Während Firmen in den europäischen Nachbarländern in vielen Themenbereichen guten Gewissens ihre Aktivitäten auf Branchenriesen wie Facebook konzentrieren können, finden wir in Deutschland eine wesentlich inhomogenere Struktur vor. Bei der Planung von Aktivitäten im Bereich Asymmetrisches Community Management und Social Media Marketing sollte dies unbedingt berücksichtigt werden, ansonsten läuft man Gefahr, einen großen Teil der Diskussionen und Aktivitäten zu verpassen.

Kommentar / Update 22.02.2010
Vielen Dank für die (teils kritischen) Anregungen, u.a. bei Facebook und Yuccatree.de. Die genannten Zahlen sind natürlich nur eine Momentaufnahme und die zitierte Grafik nur ein kleiner Ausschnitt aus der gesamten Marktanalyse. Auch lässt sich das Thema Wein selbstverständlich nicht unreflektiert auf andere Themenbereiche übertragen, spontan fallen mir aber diverse weitere Beispiele ein: Programmierung, Fotografie, Haustiere, … . Insgesamt ging es mir auch weniger darum, die grundsätzliche Bedeutung von Facebook, Xing, Twitter und Co. in Frage zu stellen, sondern viel mehr um die Tatsache, dass die Deutschen etwas anders ticken bei Communitys im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarn.

Trolle in Online-Communitys und im realen Leben

Sascha Lobos gleichermaßen unterhaltsamer wie nachdenklicher stimmender Beitrag zum Thema „Trollforschung aktuell“ hat mich inspiriert, das Thema „Trolle“ für den Community Management Blog aufzugreifen.

Trolle
Als Trolle bezeichnet man unerwünschte Mitglieder, die sinnlose Beiträge liefern und so bewusst das Leben in einer Community stören. Dabei können die Ausprägungen durchaus unterschiedlich sein, von  subtil mit einer gewissen Intelligenz bis hin zu klassischem Beitrags-Spam. Ebenso breit gestreut sind auch die Beweggründe der Trolle für ihr Verhalten. Untergekommen sind mir in meinem bisherigen Community-Leben Themen wie fehlende Anerkennung durch die Community, Spaß an der Provokation anderer und sogar durchaus Ansätze mit psychologischem Hintergrund und Aspekten der Verhaltensforschung.

Eines gemein haben allerdings alle Trolle: sie stören ungemein und verursachen zusätzlichen Aufwand für die Community Manager und Moderatoren. Was kann man also gegen diese Trolle unternehmen?

Bitte nicht füttern
Der klassische Tipp lautet: „Don’t feed the Troll!“. Dahinter steckt die Idee, dass wer keine Aufmerksamkeit erfährt, irgendwann den Spaß am Troll-Dasein verliert. Dieser Ansatz ist grundsätzlich absolut richtig, in der Praxis aber nur schwer durchzusetzen. In einer aktiven Community wird es immer Mitglieder geben, die sich dem Troll entgegen stellen und den Versuch unternehmen, ihn eines besseren zu belehren oder zum Austritt aus der Community zu bewegen. Dieses Verhalten ist absolut nachvollziehbar, schließlich möchte man als Mitglied seine Gemeinschaft sauber halten, gibt dem Troll damit aber neues Futter.

Gegenmaßnahme: Türen abschließen
In Schulungen für Moderatoren und angehende Community Manager vermittle ich daher, neben einer grundsätzlichen Sensibilisierung für das Thema, vor allem einen Aspekt, der zugegebenermaßen aus einem eher unschönen Thema entliehen ist: Ein Einbrecher wird sich im Zweifelsfall immer die Wohnung aussuchen, wo er leichtes Spiel hat: schlechte Schlösser, die Bewohner sind außer Haus und die Blicke der Nachbarn sind durch hohe Hecken ausgesperrt.
Ganz ähnlich verhält es sich in einer Community: Bei Problemen mit Trollen sollten die Hürden heraufgesetzt werden. Das können Anmeldungen mit Klarnamen sein, zeitliche Verzögerungen zwischen dem Absetzen von mehreren Beiträgen oder die Moderation von Beiträgen vor der Freischaltung. Zusätzlich sollte das Community Management Präsenz zeigen, die Accounts der Trolle und deren Beiträge ohne Diskussion zügig löschen und den Community-Mitgliedern die Möglichkeit geben, verdächtige Inhalte einfach und unkompliziert zu melden. Ergebnis: Die Trolle werden nach einer gewissen Zeit in die nächste Community weiterziehen, die keine entsprechenden Sicherungsmaßnahmen getroffen hat.

Trolle im realen Leben
Das oben beschriebene Troll-Verhalten stammt noch aus den Zeiten der ersten Internetforen und hat sich über Jahre in meinen Augen nur wenig verändert. Mit der zunehmenden Nutzung und Verbreitung von Online-Communitys und Social Media Diensten kommt hier allerdings ein neuer Aspekt hinzu, der vor allem die „Macher“ betrifft, so gehört z.B. für Community Manager die fehlende Differenzierung zwischen Job und anderen Tätigkeiten inzwischen schon fast zum Alltag. So lange sich dies auf freundliche Begegnungen im Kino beschränkt, sehe ich persönlich dies eher als Bestätigung dafür, dass man als Community Manager ein guten Job macht. Alles was darüber hinaus geht, stimmt eher nachdenklich. Kann man auf einer Plattform selbst technische Maßnahmen ergreifen, trifft im realen Leben schon eher das oben genutzte Bild der abgeschlossenen Haustür zu.

Fazit
Trolle in Social Media-Diensten respektive Social-Networks sind in erster Linie vor allem lästig und werden uns wohl auch weiterhin begleiten. Fälle wie das von Sascha Lobo geschilderte Trollverhalten im realen Leben sind in meinen Augen aber keine zu belächelnde Begleiterscheinung des Web 2.0-Zeitalters mehr, hier werden schlicht und ergreifend Grenzen überschritten. Was hilft? Die Stars und Sternchen aus dem „realen Leben“ machen es vor: privates bleibt privat, abgeschlossene Türen und wachsame Nachbarn, bis die Trolle zum nächsten Schauplatz weiter ziehen. Definitiv eine Herausforderung, da die Bekanntheit der Web 2.0-Akteure ja fast ausschließlich auf ihrer mehr oder weniger schonungslosen Offenheit basiert…