Kennzahlen sind mit fortschreitender Professionalisierung des Community Management ein sehr aktuelles Thema. Passend dazu hat mich heute eine E-Mail mit der folgenden Frage erreicht:
Die Frage ist, ob es eine Kennzahl gibt, die den Betreuungsaufwand einer Community in Relation zu deren Mitgliedern setzt. Die also z.B. angibt, dass ab einer Größe von 5.000 oder 10.000 Mitgliedern eine Anzahl X von Community Managern oder Stundenanzahl pro Woche nötig ist, um eine Community „im Griff“ zu haben.
Bevor ich die Frage für mich alleine im stillen Kämmerlein beantworte, möchte ich das Thema gerne zur Diskussion stellen. Vorab natürlich noch meine persönliche Einschätzung:
Kennzahl: Verhältnis Mitgliederzahl <> Community Manager
Ein belastbare Kennzahl, die den Betreuungsaufwand einer Online-Community in Relation zu deren Mitgliederzahl stellt, gibt es meines Erachtens nicht, u.a. weil:
- Communitys im Regelfall nur sehr schwer miteinander zu vergleichen sind: eine Community zu kritischen Themen (Politik, Naturschutz) wird erfahrungsgemäß einen höheren Betreuungsaufwand generieren, als z.B. eine Community zum Thema Wohungseinrichtung
- Aufgaben im Community Management teilweise automatisiert werden können: z.B. nutzt Facebook interne Schwellwerte, um verdächtige (Spam-)Accounts vorsorglich und automatisiert zu sperren
- Die Mitgliederzahl sich nicht linear proportional zum Betreuungsaufwand verhält: große Communitys verfügen stellenweise über bessere Selbstreinigungskräfte als kleine Communitys
- Der Aufwand für das Community Management stark von aktuellen Ereignissen abhängt: externe Einflüsse (z.B. negative Schlagzeilen für ein Unternehmen) oder interne Einflüsse (z.B. Trolle, technische Pannen bei der Mitgliederverwaltung) können den Betreuungsaufwand zumindest temporär überproportional ansteigen lassen
- Community Manager nicht miteinander vergleichbar sind: wie in jedem anderen Job auch, gibt es unterschiedlich leistungsstarke Community Manager
- Einflussfaktoren von Community zu Community unterschiedlich sind: steht ein großes Unternehmen hinter einer Community, können die Ansprüche in der Betreuungsintensität stark von z.B. einer „privat“ betriebenen Community abweichen
- Mitgliederzahlen nichts über die Aktivität einer Community aussagen: es macht einen Unterschied, wie aktiv die Community ist und ob z.B. jedes Mitglied im Schnitt 2 Beiträge oder nur 0,2 Beiträge pro Tag schreibt
- Die Betreuungsintensität auch mit den angebotenen Features zusammenhängt: eine Community mit freien verfassten Beiträgen (z.B. ein Bilderforum) wird mehr manuellen Aufwand erfordern, als z.B. eine Community in der Bilder nur über eine Punktesystem bewertet werden können
- An der Mitgliederzahl nichts über die Struktur einer Community abgelesen werden kann: soziodemographische Faktoren (Alter, Geschlecht, Herkunft) können ebenfalls einen Einfluss auf den Betreuungsaufwand und damit die Anzahl benötigter Community Manager haben
- …
to be continued (gerne Ergänzungen über die Kommentarfunktion)
Keine Kennzahl, sondern Erfahrungswert
Kennt man das Umfeld und kann die oben genannten Einflussfaktoren weitestgehend abschätzen, würde ich zumindest eine ungefähre Einschätzung der benötigten Teamgröße für realistisch halten. Oder auch, wenn eine Community bereits besteht und man das weitere Wachstum der Mitgliederzahlen in Relation zum Ausbau des Community Management-Teams setzen möchte. Hier kann man in meinen Augen aber weniger von einer Kennzahl sprechen, sondern eher von einem Erfahrungswert.
So weit meine Einschätzung zum Thema, die gerne widerlegt oder um weitere Eckpunkte ergänzt werden kann.
Eine interessante Frage… Dennoch ist dies schätze ich schwer so pauschal zu betrachten. Gerade der Punkt bezüglich der Aufgaben des Community-Managers spielt hier eine tragende Rolle. Wähend einige Communities bereits den „Moderator“ als Community-Management-Assistent bezeichnen und die Websiteadministration kleinlich als Admin ist dies bei anderen genau umgekehrt. Community-Manager – also das Berufsbild – ist in meinen Augen noch lange nicht klar deklariert.
Wer ist denn jetzt endgültig der Community-Manager? Der kleine Moderator oder der Quasi-Chef und Marketingmanager einer Community?
Aufgaben des Community-Managements übernehmen in meinen Augen bereits die kleinen davon. Dennoch fällt es einigen Firmen schwer, dies zuzugeben. Insbesonders in der Spielebranche, was auch meine Heimat ist. Social Networks oder Miusiccommunties hingegen gehen damit wesentlich offensiever um. Und besonders der Entertainmentbereich setzt diese Schwelle anders.
Aus meiner Erfahrung kann man dies kaum an Kennziffern festhalten. Eher am Verlauf und der Aktivität der jeweiligen Community. Während in Musiccoms bereits 1000 Nutzer sehr viel Aufwand bedeuten, ist bei Browsergames mit einem sinnvollen Team 10000 Nutzer im Grunde nichts.
Dennoch ist es hier in meinen Augen wichtig, dass das Berufsbild und insbesonders die tatsächliche Aufgabenverteilung des Berufsbild Community-Manager endlich eine klare Struktur bekommt.
Ausbildungsdienstleister wie die SRH-Fachschulen bieten inzwischen einen Ausbildungsgang in die Richtung des Community-Managers bzw Marketing-Managers an. Dennoch ist auch hier die Schwierigkeit, was ist eigentlich ein CM?
Insbesonders hier besteht finde ich noch sehr viel Nachholbedarf dem CM eine Identität zu verschaffen.
Liebe Grüße
Rouven
Bin bei dir, Daniel. Die eine, optimale Relation gibt es nicht.
Ich würde, als Berater, dem Kunden eine mittelfristige Begleitung anbieten, um im Verlauf gemeinsam mit ihm die optimale Größe seines Community-Teams zu ermitteln. Und (und das ist das tolle daran ;)): regelmäßige Update-Workshops anbieten – denn wie du schon aufgelistet hast – interne und externe Ereignisse und veränderte Funktionen und Ausrichtung und Größe etc. pp. werden die Größe im Laufe der Zeit immer wieder verändern.
Die Relation selbst ist da nur ein Nebenprodukt.
Kennzahlen sind richtig und wichtig. Aber nicht alles lässt sich in Zahlen ausdrücken. Aus meiner Sicht ist die Frage als solche unsinnig. Dennoch zeigt Sie ein sehr schwieriges Problem im Community Managment auf: „Wie kann man abschätzen, wieviel Arbeit (= Ressourcenverbrauch) auf den Betreiber einer Community zukommt?“
Wie Daniel schon sehr treffend feststellt ist das wichtigste Kriterium für den zu erwartenden Aufwand das Thema der Community. Dies ist aber nur im Regelfall ein zuverlässiger Indikator. Schnell kann aus einer „Friede, Freude, Eierkuchen“ Community eine Schlangengrube werden. Speziell wenn Off-Topic Themen hochkochen. Dann gilt es schnell und stringent zu reagieren, was ggf. einen deutlich erhöhten Aufwand bedeuten kann. Für mich leitet sich daraus eine veränderte Fragestellung ab:
„Wie skalierbar muss mein Community-Management sein?“
Damit kommen dann auch wieder Kennzahlen ins Spiel. Bspw. kommt eine Community normalerweise mit einem zeitlichen/personellen Aufwand von X aus. In Lastzeiten sollte das Community Management kurzfristig 2X bis 3X zur Verfügung stellen können.
Darauf muss man vorbereitet sein. Nicht nur die personellen Resourcen an sich müssen bereit stehen, sondern darüber hinaus auch entsprechend geschult sein. Es macht keinen Sinn „schnell mal den Praktikanten aus der Anzeigenabteilung mit dran zu setzen“. Alle Beteiligten müssen am selben Strang ziehen, was wiederum klare Richtlinien für das Community-Management erfordert.
Abschließend noch eine kleine Anmerkung zu den angesprochenen „Selbstreinigungskräften“ einer Community. Darauf kann und sollte man sich nicht verlassen! Am Ende des Tages verfolgt jeder User seine eigenen Interessen und die decken sich meist nicht mit denen des Community-Betreibers. Aus meiner Sicht sind die User ein hervorragendes „Frühwarnsystem“ um speziell bei großen Communities den Überblick zu behalten. Inhaltlich führen aktive User aber oft zu einer Eskalation der Probleme, was nicht zuletzt auch an deren fehlender Befugnis in Sachen Community Management liegt. Ein adäquates Mittel ist ausgewählte User als Administratoren in das Community Management einzubinden. Dies ist jedoch eine sehr heikle Angelegenheit, die wohl überlegt sein will!