Auf den ersten Blick eher eine Marginalie, hat die Ansprache der Mitglieder entscheidende Auswirkungen auf die spätere Kommunikation zwischen Community Management und Community. Während man in englischsprachigen Ländern dank dem neutralen „you“ dieser Fragestellung entgeht, stellt sich für deutschsprachige Online-Communitys die Frage: Du oder Sie?
Zielgruppenrechte Ansprache
Die Entscheidung, ob eine formelle oder informelle Ansprache passender ist, kann mit folgenden Fragestellungen abgeschätzt werden:
- Wer ist die Zielgruppe der Community, wie kommunizieren die Mitglieder der Zielgruppe untereinander? Gibt es Erfahrungswerte aus Communitys, die eine ähnliche Zielgruppe ansprechen? Beispiel: Geschäftsleute vs. Kegelbrüder
- Welche Ansprache wird im restlichen Unternehmen bevorzugt, gibt es Erfahrungswerte im direkten Kontakt zu den Kunden? Passt die Ansprache zur Kultur des Unternehmens oder besteht die Gefahr, dass die gewählte Ansprache künstlich und gezwungen wirkt?
- Fühlen sich die Moderatoren mit der gewählten Ansprache wohl und kann sichergestellt werden, dass die gewählte Form konsistent in der kompletten Community eingehalten werden kann? Von allen Mitarbeitern / Moderatoren und auch in den Texten?
- Wie würde die Ansprache aussehen, wenn die Kommunikation nicht über die Community sondern persönlich erfolgen würde? Beispiel: Würde der Community Manager bei informeller Ansprache der Mitglieder ein Mitglied auch außerhalb der Community problemlos duzen?
- Und im Zweifelsfall? Wählt man die gängige Ansprache für einander unbekannte Personen, außerhalb einer jugendlichen Zielgruppe ist man mit dem formellen „Sie“ zumindest auf der sicheren Seite.
Konsistente Ansprache wichtig
Oft gesehen, aber leider nicht wirklich Zielführend, ist die unterschiedliche Ansprache im redaktionellen Bereich und in der Community selbst. Egal ob man sich für die informelle oder formelle Ansprache entscheidet, das Wording sollte an allen Stellen konsistent zur getroffenen Entscheidung sein. Dies beinhaltet auch Hilfe- oder Erklärungstexte bei Formularen etc.
Community eigenständiger Bereich
Für einen Kunden hat sich vor kurzem die Frage gestellt, ob eine informelle Ansprache (Du) in einem Support-Forum möglich ist, obwohl der Kunde auf anderen Kanälen (z.B. auf der Hotline) gesiezt wird. Meines Erachtens kann man dies durchaus machen, sofern die Auswahl insgesamt zur Firmenkultur passt und sich die Moderatoren damit wohlfühlen. Innerhalb des Forums werden sich die Mitglieder im Regelfall ohnehin duzen.
Formelle Ansprache schafft Distanz
Analog zum realen Leben schafft eine formelle Ansprache eine gewisse Distanz zu den Mitgliedern. Gerade wenn es um die unangenehmeren Themen im Community Management geht, beispielsweise die Durchsetzung von Regeln, kann diese Distanz durchaus hilfreich sein und vermittelt zusätzlich eine gewisse Autorität. Interessante Beobachtung am Rande: In einer Community, in der die Community Manager informell mit den Mitgliedern kommunizieren, wechseln die Mitglieder gerne zum „Sie“, wenn sie sich ungerecht behandeln fühlen und ihre Einschätzung durchsetzen wollen.
Wichtig: Beteiligt sich das Community Management aktiv an den inhaltlichen Diskussionen, wirkt es im Regelfall etwas fehl am Platze, wenn sich die Ansprache der Community Manager von dem zwischen den Mitgliedern gepflegten Umgangston unterscheidet.
Mitglieder pflegeleicht
Die Mitglieder selbst sind erstaunlich pflegeleicht in Bezug auf die gewählte Form, sofern die Ansprache passend zur Community ist und konsequent eingehalten wird. Wahrscheinlich tritt hier ein Effekt analog zur „Banner-Blindness“ ein. Wenn jemand tatsächlich ein grundsätzliches Problem mit einer informellen Ansprache hat, wird er sich im Regelfall gar nicht erst in einer Community mit informeller Ansprache anmelden. In der Praxis habe ich bisher genau einen Fall erlebt, in dem sich ein Mitglied aktiv über die informelle Ansprache beschwert und daraufhin die Community verlassen hat.
Das Wort macht die Musik
Nicht vergessen werden sollte, dass man mit der Ansprache (und entsprechenden Formulierungen) einen nicht unerheblichen Einfluss darauf hat, wer sich als potentielles Mitglied ansprochen fühlt. Ein interessantes Beispiel aus einer ähnlich gelagerten Diskussion bei Boardunity:
Die Anrede ist nur ein Teil eines Satzes … nur ein Teil einer gesammten Ausdrucksweise, mit der man Leute anspricht.
…
Um es allerdings einfacher zu machen drei Beispiele:a. Hier kannst du fett Party machen und Spass haben.
b. Hier hast du die Möglichkeit nette Leuten zu treffen.
c. Hier haben Sie die Möglichkeit sich mit Gleichgesinnten zu unterhalten.Der Anspruch steigt von a. nach c. ganz klar.
Da gebe ich Dir recht. Es kommt auf die Zielgruppe an. Generell siezen wir unsere Community. Untereinander duzen sie sich teilweise. Mit einigen duze ich mich auch, aber nur, wenn es von dem betreffenden User kommt. Die derWesten-Community ist wahrscheinlich durchschnittlich älter als andere Communities daher fällt das siezen auch leichter.
Wir haben in unserer Community ganz bewusst die informelle Ansprache gewählt. Unser Thema ist ein sehr persönliches, denn immerhin gewähren die User der Öffentlichkeit Einblicke in die eigenen vier Wände. Vor diesem Hintergrund erscheint uns das „Du“ angemessener. Bisher hatten wir auch noch keine Probleme, dass unsere Autorität aufgrund des persönlichen Umgangstons nicht anerkannt wird. Ganz im Gegenteil. Manchmal erfordert einiges an Geschick, den richtigen Ton zu treffen. Durch das „Du“ wird eine Massregelung schnell als persönlicher Angriff aufgefasst.